Internationale Politik:Den Menschenrechtsrat zu boykottieren, ist ein Fehler

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Die USA verlassen den UN-Menschenrechtsrat wegen dessen umstrittener Israel-Politik. Die Kritik an dem Gremium ist berechtigt - und trotzdem verdient es Unterstützung.

Kommentar von Charlotte Theile, Zürich

Dreimal im Jahr tagt der UN-Menschenrechtsrat in Genf - und jedes Mal findet an einigen Tagen eine seltsame Zusammenkunft statt: Einige westliche Botschafter verlassen aus Protest den Raum, andere versuchen, die harte Kritik durch Fragen abzumildern. Es sind Momente, die vielen Diplomaten unangenehm sind: Der Rat, 2006 als Symbol neuer Hoffnung gegründet, berät über Tagesordnungspunkt 7, die "Lage der Menschenrechte in Palästina und in den besetzten arabischen Gebieten". Israel verurteilt diesen Tagesordnungspunkt - und immer häufiger auch das ganze Gremium - als einseitige, israelfeindliche Veranstaltung.

Die USA, die am Dienstagabend verkündet haben, den Rat zu verlassen, begründen ihre Entscheidung genau mit dieser Politik. Damit hat die Regierung Trump einen Punkt. Allein in diesem Jahr hat der Rat mehr Resolutionen gegen Israel verabschiedet als gegen Syrien oder Nordkorea. Die Israel-Politik des Menschenrechtsrates ist ein Ärgernis. Dem Rat den Rücken zu kehren, ist dennoch ein Fehler.

Das Gremium ist der Ort, wo alle Länder der Welt zusammenkommen, um die Situation der Menschenrechte überall auf der Welt zu verbessern. Als eines von 47 gewählten Mitgliedsländern ist es den USA nicht gelungen, ihre Agenda durchzusetzen. Die Amerikaner sind, im Gegenteil, von der regional gemischten Zusammensetzung - auch Länder wie Katar, China, Saudi-Arabien und die Philippinen sind vertreten - überstimmt worden. In der America-First-Welt Donald Trumps ist das ein nicht hinnehmbarer Zustand. Es geht also nicht nur um Israel. Es geht um Machtpolitik, darum, dass die USA unter Trump nicht mehr bereit sind, zu verhandeln und Kompromisse zu finden.

Die Diplomaten in Genf haben den Austritt der Amerikaner seit Längerem erwartet, sie werden auch ohne sie weiterarbeiten. Und das ist gut so. Die Zusammenkünfte bringen auch zahlreiche positive Ergebnisse hervor. Etwa die unabhängige Untersuchungskommission zu Syrien, die die dortigen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen detailliert dokumentiert hat - oder die jährlichen Reports, in denen jedes Land der Erde überprüft und bewertet wird. Wer diese Ergebnisse als ineffektiv und nutzlos bezeichnet, übersieht die wichtigste Aufgabe des Rates: Er soll sichtbar machen, was sonst verborgen bliebe, er soll denjenigen eine Stimme geben, die nicht gehört werden. Darin ist er erfolgreich. Fast alle Staaten geben sich Mühe, im Menschenrechtsrat gehört zu werden. Russland, das seit 2016 nicht mehr Mitglied ist, versucht weiter, dessen Politik gestalten. Das zeigt: Die Sitzungen in Genf werden beachtet. Sie verschaffen Menschenrechtsverletzungen eine Öffentlichkeit, die sie andernfalls nicht bekommen würden.

Trotz aller berechtigter Kritik: Wer den Menschenrechtsrat boykottiert, statt Reformen anzustoßen, bewirkt vor allem eins: Menschenrechtsverletzungen können wieder besser im Verborgenen stattfinden. Für die USA, die erst Anfang der Woche vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte scharf kritisiert worden waren, dürfte auch das eine Rolle spielen. Die Amerikaner wollen dem Gremium, das US-Botschafterin Nikki Haley als "Jauchegrube" geschmäht hatte, die Legitimation entziehen. Die anderen Staaten der Welt tun gut daran, diese Institution zu verteidigen.

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