Rumänien:"Es brennt hier politisch"

Ein Reporterpaar, sie Rumänin, er Deutscher, wird am Rande von Demonstrationen in Bukarest festgenommen. Ihre Schilderungen erzählen viel über die brodelnden Konflikte im Land und eine politische Lage, die sich bedrohlich zuspitzt.

Von Florian Hassel

Paul Arne Wagner kann die Proteste kaum mehr zählen, die er in Bukarest dokumentiert hat. Vor zwei Jahren hatte der Journalist, 36 Jahre alt und langjähriges Mitglied der Bildredaktion der SZ, in Rumäniens Hauptstadt mit seiner Frau Mădălina Roșca die Filmfirma Passport Productions übernommen. Dort hielten die Journalisten seither in Film und Foto zahlreiche Demonstrationen gegen die postkommunistische Regierung fest. Und gegen deren Versuche, Rumäniens Gesetze so umzuschreiben, dass der vorbestrafte Parteichef Livui Dragnea, mächtigster Mann des Landes, im Fall einer Verurteilung in weiteren Prozessen nicht ins Gefängnis muss.

Auch am Mittwoch demonstrierten in etlichen Städten mehrere Zehntausend Menschen: Es waren Gerüchte aufgekommen, die Regierung wolle Strafrechtsänderungen per Eilverordnung durchsetzen oder gar den Präsidenten suspendieren: Klaus Johannis verweigert vielen fragwürdigen Gesetzen der Regierung die Unterschrift. Wagner und Roșca machten sich mit Kameras und Presseausweisen auf, um in Bukarest zu filmen. An einer Ampel, wurden ihm, so berichtet er am Donnerstag am Telefon, von zwei Gendarmen die Hände auf den Rücken gedreht, man brachte ihn in ein Polizeirevier.

Erst beschuldigten ihn die Beamten, er habe sie behindert, dann, er habe einen Polizisten getreten. Wagner, der fließend Rumänisch spricht, sagt: "In den vergangenen Monaten ist die Taktik der Polizei gegen Demonstranten aggressiver geworden. Demonstranten werden jetzt oft festgehalten, angeblicher Störung der öffentlichen Ordnung beschuldigt und mit Ordnungs- oder Strafgeldern von umgerechnet bis zu mehreren hundert Euro belegt. Journalisten wurden allerdings bisher meist in Ruhe gelassen."

Ob die Festnahme zufällig war, ist unklar. Mit seiner Frau hat Wagner kürzlich in Dragneas Heimatbezirk Teleorman den Dokumentarfilm "Hier haben wir nichts außer Dragnea" gedreht. Der 24-Minüter zeigt, wie uneingeschränkt der PSD-Parteichef und seine Alliierten regieren. Er wurde im oppositionellen Fernsehsender Realitatea ausgestrahlt und steht im Internet.

Zweieinhalb Stunden, bis Mitternacht, hielten die Polizisten Wagner auf dem Revier fest. Ein angebliches Vernehmungsprotokoll wurde laut Wagner "so leise vorgelesen, dass ich nicht verstanden habe, was drinstand". Die Polizei habe ihm die Wahl gelassen - entweder ungelesen unterschreiben und mit einer Verwarnung davonkommen oder eine Strafe bekommen.

"Ich habe nichts unterschrieben und werde Anzeige erstatten." Wagners Frau hat die Festnahme gefilmt. Die beiden arbeiten an einer weiteren Dokumentation über Dragnea. "Es brennt hier politisch", sagt Wagner. "Die Frage ist, ob sich nach Ungarn auch in Rumänien antidemokratisches Regieren durchsetzt und die Rumänen noch einmal um ihre Freiheit kämpfen müssen."

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