Psychologie:Die Kraft des Nachnamens

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(Foto: SZ)
  • Männer werden in der Öffentlichkeit etwa doppelt so häufig nur mit ihrem Nachnamen bezeichnet wie Frauen.
  • Zugleich wirkt die knappe Benennung besonders bedeutsam. Viele Menschen trauen solchen Namensträgern eher eine wichtige Position zu.
  • Frauen, die traditionell eher mit vollem Namen beschrieben werden, könnten dadurch Nachteile erfahren, ergeben neue Studien von US-Psychologen.

Von Berit Uhlmann

Kroos trifft, Trump poltert, Böhmermann witzelt. Solche Sätze haben eines gemeinsam: In ihnen treten Männer ganz selbstverständlich mit bloßem Familiennamen auf. Ein Mann, ein Nachname, so klar ist die Sache. Wer dagegen über Illner, Slomka oder Lagarde spricht, stellt meist noch den Vornamen, die Berufsbezeichnung oder ein förmliches "Frau" voran. Diese Ausschmückung mag höflich gemeint sein. Doch sie kann Konsequenzen haben, die weit über Stilfragen hinausgehen. Sie beeinflusst womöglich die Beurteilung von professionellen Leistungen, warnen Psychologinnen aus den USA im Fachblatt PNAS .

Die Forscherinnen der Cornell University in Ithaca wiesen zunächst nach, dass Männer in der Öffentlichkeit etwa doppelt so häufig mit ihrem blanken Nachnamen bezeichnet werden als Frauen. Das Muster fanden die Wissenschaftlerinnen in Portalen, in denen Studenten Professoren bewerten, in Radiosendungen, die über Politiker berichten, in Alltagsgesprächen über Prominente ebenso wie in Laborexperimenten.

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Ist die abweichende Benennung von Männern und Frauen eine kulturelle Gepflogenheit?

Sie baten beispielsweise Versuchspersonen, einen kleinen Aufsatz über die fiktiven Wissenschaftler Dolores und Douglas Berson zu schreiben. Zur Benennung der Frau nutzten die Probanden die ganze Palette der Möglichkeiten, von einem simplen "Dolores" bis zum kompletten Namen inklusive Titel. Für das männliche Pendant dagegen genügte ihnen überwiegend ein kerniges "Berson".

Das hat Wirkung. Wer mit dem bloßen Nachnamen bezeichnet wird, erfährt einen Bedeutungsgewinn. Die Person wird als berühmter und wichtiger wahrgenommen als jemand, dessen Identität weitere Attribute braucht. "Müller sagt" klingt eben fast schon so bedeutungsschwanger wie "Einstein hat bewiesen".

Die Psychologinnen untermauerten diese These, indem sie ihren Probanden erfundene Biografien, Forschungsanträge und Studienergebnisse vorlegten. Mal stand lediglich ein Familienname in den Papieren, mal zusätzlich ein geschlechtsneutraler Vorname wie Jamie. Das Urteil der Leser war immer dasselbe: Obwohl alle Leistungen identisch waren, glaubten die Probanden, dass ein "Berson" oder "Müller" eine höhere Stellung und bessere Aussichten auf einen Preis hatten als jemand namens "Jamie Berson".

Mehr noch, die Probanden waren geneigt, einem "Müller" eher eine hoch dotierte Auszeichnung zu verleihen. In den Experimenten lagen die Chancen auf ein Preisgeld 14 Prozent höher, wenn die fragliche Person ohne Vornamen auskam. Das ist kein gigantischer Effekt, aber er kann ausschlaggebend sein. Und er zeigt, dass die impliziten Bedeutungen des Namens nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch Entscheidungen beeinflussen können.

Hinter dem Phänomen steckt nicht unbedingt eine bewusste Manipulation. Maßgeblich für die unterschiedlichen Benennungen von Männern und Frauen dürften vor allem kulturelle Gepflogenheiten sein, erläutern die Forscherinnen. Traditionell ändern Frauen ihren Namen mit der Hochzeit, und werden deshalb womöglich weniger stark mit ihm identifiziert. Dass Frauen mit vollem Namen genannt werden, kann sogar dem gut gemeinten Wunsch entspringen, ihnen Respekt zu zollen. Das Geschlecht wird betont, um weiblichen Mitarbeitern mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Ironischerweise scheint sich diese Art der "Frauenförderung" jedoch ins Gegenteil zu verkehren.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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