Nordrhein-Westfalen:Die fade Bilanz des lauen Landesvaters

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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ist seit einem Jahr im Amt. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Vor genau einem Jahr legte Armin Laschet den Amtseid ab. Seitdem hat er sich als Mann mit klarer Kante profiliert. Nur: Sein Land regiert er anders, leider.

Kommentar von Christian Wernicke, Düsseldorf

Kante zeigen kann er, wenn er will. Das beweist Armin Laschet derzeit täglich. Im Streit mit der widerspenstigen CSU um die Flüchtlingspolitik vergehen keine 24 Stunden, in denen der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nicht seine Prinzipien als glühend gläubiger Europäer beweist: Mal sieht der CDU-Vize "das Erbe von Helmut Kohl" in Gefahr, mal warnt er die Bayern, eine Schließung deutscher Grenzen sei "mit mir nicht zu machen".

Der Aachener, lange als nur netter "Öcher Jong" unterschätzt, hat durchaus einen harten Kern. Er hält (Merkels) Kurs in der Flüchtlingspolitik, möchte mitgestalten, auch in Berlin: Weil dort nichts vorankommt, will seine schwarz-gelbe Regierungskoalition demnächst sogar ein Einwanderungsgesetz entwerfen - für die gesamte Republik. Laschet profiliert sich so als "Stimme des Westens".

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Nur: Sein Land regiert er anders, leider. Auf den Tag genau vor einem Jahr legte Armin Laschet im Düsseldorfer Landtag seinen Amtseid ab. Einen Kompass, mit dem er dem bevölkerungsreichsten Bundesland einen klaren Weg weist, offenbart Laschets Politik jedoch bis heute nicht. Ihm genügt, dass alles irgendwie funktioniert. Wenn nicht, wird eben gefrickelt - und nachgebessert.

Tatsächlich ist es Laschet und seinem liberalen Stellvertreter Joachim Stamp seit Amtsantritt gelungen, in Düsseldorf stabile Verhältnisse zu schaffen. Das ist, bei nur einer einzigen Stimme Mehrheit im Parlament, keine Selbstverständlichkeit. Die "NRW-Koalition" aus CDU und FDP profitiert dabei von der Konjunktur: Zum ersten Mal seit 45 Jahren steht im Landeshaushalt unterm Strich eine schwarze Zahl, sogar im Ruhrgebiet sank die Arbeitslosigkeit jüngst unter die Schwelle von zehn Prozent.

Das angebliche "Chancenland" bleibt Stauland Nummer eins

Doch keineswegs ist damit alles gut. Gemessen an den drei großen Versprechen, mit denen Laschet vor der Wahl durchs Land zog, fällt die Bilanz fade aus. Immerhin, für mehr Innere Sicherheit schickt die Regierung mehr Ordnungshüter auf Streife und mehr Verwaltungsangestellte in die Polizeiwachen.

Aber weiterhin stockt überall der Verkehr, NRW bleibt Stauland Nummer eins. Kritik daran begegnet der Ministerpräsident auf seine Art: Er könne eben nicht zaubern.

Ein fortwährender Skandal schließlich sind die Zustände in Tausenden Schulen in Laschets angeblichem "Chancenland": Es fehlen Lehrer, viele Klassenzimmer verrotten weiter, wie bisher. Kein Land investiert so wenig in die Bildung seiner jungen Bürger wie NRW.

Hinzu kommt Laschets allzu rheinländischer Regierungsstil. Die (eigentlich lapidare) Affäre um seine inzwischen abgetretene Umweltministerin und seinen Regierungssprecher, der einen nie realen "Hackerangriff" erst aufbauschte und dann wochenlang nicht dementierte, hat der Opposition von SPD und Grünen nun einen (eigentlich überflüssigen) Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geschenkt.

Selbst das Gedenken an den rassistischen Mordanschlag von Solingen, bei dem vor 25 Jahren fünf Menschen starben, vermurkste Laschets Staatskanzlei: Der Landtag wurde nicht korrekt informiert, der Festakt im Saal des Landtags fiel aus.

Landesvater Laschet ist ein lauterer Mann. Aber er regiert lau. Es geht langsam aufwärts zwischen Rhein, Ruhr und Weser. Es wird besser. Aber gut genug ist es nicht.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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