Freihandel:Die EU muss die WTO retten

File photo of container transport vehicles move at HHLA Container terminal Burchardkai in Hamburg

Die WTO ist so etwas wie die letzte Instanz des auf festen Regeln basierenden Welthandels

(Foto: REUTERS)

Donald Trump tritt die Welthandelsorganisation mit Füßen. Die EU muss endlich ihre Reform anstoßen - denn sie ist die letzte Bastion für freien Welthandel.

Kommentar von Nikolaus Piper

Mittlerweile muss man sich ernsthaft um das Schicksal der Welthandelsorganisation sorgen. Präsident Donald Trump drohte unverhohlen: Die WTO habe die USA "sehr schlecht behandelt" und er hoffe, sie ändere dies. Solche Schimpfereien können, wie man weiß, alles oder nichts bedeuten, Propaganda für die eigenen Wähler ebenso wie den Auszug der Vereinigten Staaten aus der WTO. Dass Trump genau dies plane, dementierten seine Leute wenig glaubwürdig. Entsprechende Berichte in den Medien seien "voreilig". Zuvor hatte Trump schon seine Missachtung der Organisation bezeugt, indem er Zölle mit Gefahren für die nationale Sicherheit der USA begründet, was offenkundiger Unfug war und nur dazu diente, die WTO-Regeln zu umgehen. Kein Zweifel aber besteht daran, dass die WTO am Ende wäre, sollte ihr wichtigstes Mitglied austreten.

Die WTO ist so etwas wie die letzte Instanz - oder heute auch die letzte Bastion - des auf festen Regeln basierenden Welthandels. Und nicht nur das. Ihr Vorgänger, das Allgemeine Zollabkommen Gatt, gehört - wie UN, IWF und Weltbank - zu den Institutionen, welche die Sieger des Zweiten Weltkriegs eingerichtet hatten, um die Welt sicherer zu machen. Die WTO ist damit auch Teil eine Friedensprojekts. Sie wacht über ein System von Regeln, auf die sich jedes der 164 Mitglieder, und sei es auch noch so klein, berufen kann. Und sie verfügt über Schiedsgerichte, vor denen ein Staat klagen kann, wenn er sich von einem anderen diskriminiert fühlt. Diese Gerichte, sagt Trump, haben die Vereinigten Staaten schlecht behandelt. Tatsächlich haben die USA bisher 83 Prozent der Klagen gewonnen, die sie selbst eingereicht haben, und in 75 Prozent der Fälle verloren, in denen sie selbst beklagt wurden. Die Zahlen belegen keine Benachteiligung, sondern zeigen einfach, dass bei der WTO selten aussichtslose Klagen eingereicht werden.

Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass zwar Ökonomen von der WTO begeistert sind, dass sie aber in der Öffentlichkeit wenig Freunde hat. Die einen interessieren sich nicht für Handelsfragen, weil die so kompliziert sind, die anderen halten die Organisation für ein Werkzeug des neoliberalen Teufels. Konkret: Bis zu Trump war WTO-Hass ein linkes Projekt. Die Krawalle am Rande einer WTO-Ministerkonferenz in Seattle 1999 gelten als inoffizieller Beginn der Anti-Globalisierungsbewegung. Viele Kritiker - von Attac über die Grünen bis zu Brot für die Welt - missverstehen die WTO immer noch als Instrument der Konzerne zur Ausbeutung von Mensch und Umwelt.

Mit dem Kampf für die WTO lassen sich jedenfalls keine Wahlen gewinnen. Trotzdem ist genau der nötig, damit Unsicherheit und Misstrauen im Welthandel nicht weiter zunehmen. Und nach Lage der Dinge ist nur die EU imstande, diesen Kampf zu führen. Trumps USA fallen aus, China kann kaum glaubwürdig als Verfechter des Freihandels auftreten, so wie Peking derzeit noch seine Volkswirtschaft abschirmt. Die Europäer aber, und besonders die Deutschen als Handelsnation, hätten bei einem Kollaps der WTO sehr viel zu verlieren und müssten daher umso interessierter an deren Rettung sein.

Die EU sollte die Initiative ergreifen für eine Reform der WTO

Entscheidend ist, dass Europa aus der Defensive herauskommt und nicht nur auf die Zumutungen aus Washington reagiert. Es war richtig, die Zölle auf Stahl und Aluminium zu vergelten, es wäre auch richtig, sich gegen mögliche Zölle auf deutsche Autos zu wehren. Und es wäre schließlich geboten, gegen Trumps Politik bei der WTO zu klagen.

Das darf aber nicht alles sein. Die EU sollte die Initiative ergreifen für eine Reform der WTO. Die Organisation hat es nötig, insofern liegt ein Körnchen Wahrheit an Trumps Kritik. Am wichtigsten wäre es, die Schiedsverfahren dadurch zu stärken, dass die Gerichte schneller entscheiden können und dass deren Kompetenzen genauer umschrieben werden. Nur will Trump eben diese Kompetenzen einschränken, während man sie in Wirklichkeit ausweiten müsste. Schon heute schwächen die USA mutwillig die WTO, indem sie Richterstellen nicht neu besetzen. Und dann sollte die EU dem protektionistischen Furor in den USA und anderswo dadurch begegnen, dass sie eine neue, allgemeine Zollsenkungsrunde anbietet, also nicht nur Zugeständnisse an die USA (die würden ohnehin dem Prinzip der Nichtdiskriminierung in der WTO widersprechen), sondern niedrigere Zölle für alle.

Die Aussichten, damit Trump zu beeindrucken, wären zugegebenermaßen nicht besonders groß. Aber wenigstens würde einmal jemand der zunehmenden Unvernunft etwas entgegenstellen.

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