Asylpaket:Der kleine Coup der SPD

Es sah mal wieder nicht gut aus für die Sozialdemokraten. Aber im Asylstreit haben sie nach anfänglichem Zögern klug agiert, eine intelligente Lösung durchgesetzt - und wirken in dieser Woche regierungsfähiger als die Union.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Es lohnt sich, mal wieder über die SPD zu sprechen. Nicht, weil sie immer noch im Keller schlechter Umfragewerte festhängt; nicht, weil sie sich mal wieder verhakt hätte zwischen den eigenen Flügeln. Die Sozialdemokraten dürfen nach vielen Monaten der politischen Mühsal sagen, dass sie etwas wirklich gut gemacht haben.

Gemeint ist das Ende einer Woche, die für Berlin und die Bundesregierung miserabel begonnen hatte. Einer Woche, in der sich CDU und CSU so heftig, ja martialisch stritten, dass für viele in der Hauptstadt der Bruch der Union und der Bruch der Regierung nur noch eine Frage von Tagen zu sein schien.

Vier Tage später aber ist etwas geschehen, was niemand mehr für möglich gehalten hätte. Ausgerechnet die Sozialdemokraten haben das getan, was CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wochenlang für sich selbst reklamierte: Sie haben die politischen Verhältnisse wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, im Flüchtlingsstreit und in der Bundesregierung.

Nicht weiteres Öl ins Feuer gegossen, sondern Puder auf die Wunden gelegt

Gemeint ist damit zuallererst die Tatsache, dass die SPD dafür gesorgt hat, den Umgang der Koalitionspartner untereinander wieder so zu gestalten, wie er selbstverständlich sein müsste für eine Regierung, die ernst genommen werden möchte.

Die SPD hat nüchtern und freundlich agiert; sie hat nicht weiteres Öl ins Feuer gegossen, sondern Puder auf die Wunden gelegt, um die Lage zu beruhigen. Und sie hat das alles so selbstbewusst getan, dass man geneigt ist zu fragen: Welchen Zaubertrunk haben die sonst oft so verzagten Sozialdemokraten plötzlich ausgegraben?

Zweitens haben Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz nüchtern und pragmatisch dem Vorschlag zugestimmt, dass all jene Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land ein Asylverfahren begonnen haben, nicht einfach nach Deutschland kommen und hier mal eben einen zweiten Anlauf machen können. Für sie soll es jene Transferverfahren geben, aus denen sie binnen 48 Stunden in das Land ihres Asylverfahrens zurückgeschickt werden sollen.

Das ist nicht unmenschlich und nicht falsch; es ist die einzige Möglichkeit, um das System in der EU nicht endgültig aus dem Ruder laufen zu lassen. Dass dabei grundgesetzliche Grenzen bedacht werden, ist wichtig; dass dafür Liegenschaften der Bundespolizei genutzt werden sollen, entspricht dem gesunden Menschenverstand. Und es ermöglicht, dass der Beschluss möglichst bald umgesetzt werden kann.

Striktes Votum gegen nationale Alleingänge

Drittens hat die SPD darauf beharrt, dass dieses Land endlich eine saubere Trennung zwischen Flüchtlingen und anderen Zuwanderern erhalten wird. Das ist besonders wichtig, weil das bisherige Chaos die Krise noch mal massiv befeuert hatte. Kommt tatsächlich bis Jahresende ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte, dann besteht zum ersten Mal die Chance, in der Sache und in der Debatte präzise Unterschiede deutlich zu machen.

Prominente Ministerpräsidenten wie Winfried Kretschmann (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Stephan Weil (SPD) fordern das schon lange, weil sie sich davon eine Klärung vieler Streitpunkte erhoffen. Gut ist es deshalb, dass die Sozialdemokraten das jetzt erzwungen haben; bedauerlich ist nur, dass die Unionsparteien diese Idee noch immer nicht selbst als zentrales Ziel ausgegeben haben.

Und viertens schließlich hat die SPD der Kanzlerin an einer Stelle entscheidend geholfen, die für ein einiges Europa entscheidend ist und bleiben wird. Die Sozialdemokraten bestehen wie Angela Merkel darauf, dass nichts geschieht ohne Abstimmung mit anderen Staaten. Damit hat die SPD freilich nicht nur die Linie der CDU-Spitze bestätigt. Sie hat dem allseits gespenstischen Streben nach nationalen Alleingängen fürs Erste ein striktes Nein entgegengesetzt.

So unerbittlich und verstörend diese Woche begann, so angenehm versöhnlich ist sie zu Ende gegangen. Mag sein, dass die neue Ruhe nur von kurzer Dauer sein wird. Fürs Erste hat es trotzdem zu einer wichtigen Beruhigung beigetragen. Auf Wochenstarts dieser Art sollte die Regierung von nun an tunlichst verzichten.

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