Kommentar:Historische Zeugnisse erhalten

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Gedenken macht sich an Orten fest. Und original erhaltene Schauplätze gibt es nicht mehr viele

Von Thomas Kronewiter

Vor einigen Wochen gab es einen wunderbaren Abend im ehemaligen Barackenlager Neuaubing an der Ehrenbürgstraße. In einer "Nacht des Erinnerns" konnten Besucher Eindrücke aus der Zeit des Nationalsozialismus mitnehmen, den äußeren Anlass bot die Stadtteilwoche für Aubing-Lochhausen und Langwied. Musikalisch umrahmt, hörten die Besucher an historischer Stelle Erzählungen und Lesungen aus Zeitzeugentexten - in den Baracken, in denen einst verschleppte Kriegsgefangene froren und hungerten.

Wer erfahren will, welches Netzwerk an Verfolgung und Unterdrückung, welche Grausamkeiten sich rund um München hinter dem Konzentrationslager Dachau versteckten, kann natürlich im NS-Dokumentationszentrum an der Brienner Straße in der Münchner Innenstadt die Ausstellungen anschauen. Oder er kann sich in eine mehr oder weniger muffige Baracke setzen, auf dem knarzenden Boden laufen und, Holzgeruch in der Nase, Zeitzeugen-Berichte hören. Er kann auch an den jährlichen Gedenkfeiern zu den Todesmärschen teilnehmen. Oder er könnte dem Netzwerk in der Siedlung Ludwigsfeld nachspüren, denn auch dort befindet sich noch eine Original-Baracke, die seit Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt wird.

Noch gibt es dieses historische Zeugnis, das die Geschichte der KZ-Rüstungsarbeiter in der ehemaligen Außenstelle Allach des KZ Dachau - vom 19. März 1943 bis zur Befreiung am 30. April 1945 Teil des Grauens-Netzwerks rund um München - erzählen kann. Auch wenn es baulich vielleicht nicht ganz einfach wäre und eine Sanierung wohl nicht die wirtschaftlichste Variante: Wenn es gelingt, an der Ehrenbürgstraße ein ganzes Barackenlager zu erhalten und als Zweigstelle des NS-Dokuzentrums auszubauen, wäre es ein Armutszeugnis, die eine Baracke an der Granatstraße verfallen zu lassen. Gedenken macht sich an Orten fest. Und original erhaltene Schauplätze gibt es nicht mehr viele. Sie erst plattzumachen, parallel dazu aber Gedenkkonzepte zu erstellen, macht wenig Sinn.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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