Europäische Union:Die Leiden des Jean-Claude Juncker

  • EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte beim Nato-Gipfel in Brüssel mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
  • Er habe unter einer "besonders schmerzhaften Ischias-Attacke" gelitten, teilte die Kommission mit.
  • Juncker klagte in den vergangenen Monaten schon mehrmals über seine Schmerzen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Nach allem, was passiert ist, konnte Jean-Claude Juncker nicht so tun, als sei nichts gewesen. Und so ließ er am Freitag über seinen Sprecher ausrichten, dass er sich bei Mark Rutte und António Costa bedanken wolle, die ihm während dieses "schmerzhaften Moments" geholfen haben. Der niederländische Ministerpräsident und der portugiesische Premier hatten Juncker am Mittwochabend vor dem Galadinner des Nato-Gipfels im Brüsseler Jubelpark gestützt, als es ihm sichtlich schlecht ging. Auf Videoaufnahmen sieht man den Kommissionspräsidenten minutenlang schwankend, mehrere Staats- und Regierungschefs griffen ihm unter die Arme. Später musste er in einem Rollstuhl geschoben werden.

Zunächst wollte die EU-Kommission sich nicht näher dazu äußern. Nur so viel: "Es wäre nicht angemessen, irgendwelche gesundheitlichen Probleme öffentlich zu diskutieren." Doch als die Aufnahmen des wankenden Präsidenten in den sozialen Netzwerken immer häufiger geteilt und teils hämisch kommentiert wurden, reagierte die Kommission und erklärte das Auftreten ihres Chefs. Juncker selbst habe schon häufiger auf seine Rückenprobleme verwiesen, die ihm das Gehen erschwerten, hieß es von Seiten der Behörde. Rund um das Abendessen des Nato-Gipfels sei er von einer "besonders schmerzhaften Ischias-Attacke" geplagt worden. Am Tag danach sei es wieder besser gewesen, der Präsident habe sein volles Programm absolviert. "Er wird weiter hart arbeiten", sagte sein Sprecher.

Der Ischias-Nerv quält Juncker schon länger

Womit man bei der entscheidenden Frage wäre: Ist der 63-Jährige angesichts seines Gesundheitszustands in der Lage, sein Amt auszuüben? Seine Behörde gab sich am Freitag alle Mühe, dies mit einem klaren Ja zu beantworten. Nächste Woche reise Juncker nach Peking, dann weiter nach Tokio und Madrid. Am 25. Juli werde er von Donald Trump im Weißen Haus erwartet. Dem US-Präsidenten dürften Junckers Leiden nicht entgangen sein. Er war ja beim Dinner in Brüssel dabei.

Es ist nicht das erste Mal, dass Junckers gesundheitliche Schwäche zum Thema wird. Zuletzt bekannte der Präsident vor gut drei Wochen im irischen Parlament, was für jeden offensichtlich war, als er dort zum Rednerpult schritt: "Ich habe Schwierigkeiten beim Gehen." Und fügte hinzu: "Ich bin nicht betrunken. Ich habe Ischias. Ich würde es vorziehen, betrunken zu sein." Auf die Frage, ob Juncker am Abend des Nato-Dinners betrunken gewesen sei, wie manche spekulierten, sagte sein Sprecher, dass er es für "mehr als geschmacklos" halte, wie einige Medien jetzt mit herabsetzenden Überschriften die Schmerzen des Präsidenten ausnutzten. Juncker nehme Medikamente und gehe zu einer Physiotherapeutin, hieß es aus der Kommission.

Wie stark sein Leiden Juncker bei der Arbeit beeinträchtigt, zeigte sich im April, als er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im bulgarischen Warna traf. Bei der Pressekonferenz erklärte Juncker: "Ich muss Ihnen sagen, dass ich ein Problem habe: Ischias. Es ist sehr schmerzhaft." Und erzählte dann freimütig: "Ich musste aufstehen, den Raum verlassen, herumlaufen. So habe ich wahrscheinlich den wichtigsten Teil des Treffens verpasst." Es war einer dieser sich inzwischen häufenden Momente, in denen der Kommissionspräsident dem Publikum geradezu unter die Nase rieb, dass ihn sein Stehvermögen zu verlassen scheint. In welchem Ausmaß, das konnte man nun beim Nato-Dinner in Brüssel sehen.

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