Flüchtlingsminister Joachim Stamp:Gutmensch und harter Hund

Joachim Stamp

Joachim Stamp ist Flüchtlingsminister in Nordrhein-Westfalen. Wegen der Affäre um Sami A. steht er in der Kritik.

(Foto: dpa)
  • Wegen der Affäre um die Abschiebung von Sami A. steht Joachim Stamp als Flüchtlingsminister von Nordrhein-Westfalen in der Kritik.
  • Die Opposition im Landtag will prüfen, ob Stamp ein Verwaltungsgericht gezielt getäuscht hat, um Sami A. auszufliegen.
  • Stamp gilt als seriöser Arbeiter und Vernunftpolitiker. In der Asyl- und Integrationspolitik stellt sich der Liberale seit Monaten gegen den rigiden Kurs von Horst Seehofer.

Porträt von Christian Wernicke, Düsseldorf

Joachim Stamp wirkt gelassen - trotz des Sturms, der jetzt über ihn hereingebrochen ist. Die Affäre um die Abschiebung des tunesischen Islamisten Sami A. hat den Flüchtlingsminister von Nordrhein-Westfalen in den Augen vieler plötzlich zum Verbündeten von Horst Seehofer gemacht. Dabei setzt dieser Liberale eigentlich seit Monaten alles daran, den repressiven Kurs des Bundesinnenministers bei der Asyl- und Integrationspolitik zu durchkreuzen. Stamp ringt sich gequält ein Lächeln über diese jähe Wende ab, streicht sich über das schüttere Haar und sagt: "Ich bin mit mir im Reinen."

Stamp kann beides, harter Hund und Gutmensch. Schnellere Abschiebung und bessere Eingliederung - das sind für Stamp zwei Seiten einer Medaille. Seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr wirbt der Minister und stellvertretende Ministerpräsident der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf für diesen Kurs: Vor allem "Gefährder" will er schneller denn je außer Landes schaffen; gleichzeitig aber möchte er unbescholtenen Ausländern mehr Rechtssicherheit geben, in Deutschland dauerhaft zu bleiben und zu arbeiten.

Joachim Stamp gilt auch bei SPD und Grünen als seriöser Arbeiter

Seehofer und Stamp trennen da Welten, wie sich am Dienstag zeigte: Da sagten beide ein seit Wochen geplantes Treffen ab, weil Seehofer keinerlei Konzessionen machen wollte für bessere Angebote zur Integration oder für ein großzügigeres Aufenthaltsrecht. Stamp lässt nicht locker: Seine Forderung, eine umfassende Reform des Einwanderungsrechts auf einem Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Gemeinden zu beraten, will er nun ohne Seehofer vorantreiben. "Wir haben lange genug gequatscht," empört sich der 48-Jährige, "in jeder Sonntagsrede kommt das Einwanderungsgesetz vor." Die Politik müsse endlich handeln.

Stamp hat sich Respekt verschafft in Düsseldorf. Der FDP-Mann gilt als seriöser Arbeiter, auch Grüne und die SPD schätzten den Flüchtlingsminister bisher als Vernunftpolitiker. Die Causa Sami A. droht nun dieses Image zu beschädigen. Per Sondersitzung des Rechtsausschusses des NRW-Landtags will die Opposition prüfen, ob Stamp gezielt ein Verwaltungsgericht getäuscht hat, um den Tunesier noch vor Verkündung eines Abschiebeverbots nach Nordafrika auszufliegen. Stamp bestreitet jeden Rechtsbruch, schwört auf Verfassung und Gesetz - und fügt hinzu: "Ich habe allerdings auch beeidet, Schaden vom Land abzuwenden." Will sagen: Sami A. musste weg, "mit allen rechtlichen Mitteln".

Seit mehr als zwanzig Jahren betreibt Stamp inzwischen Politik. Mit 17 Jahren trat er in die FDP ein, in diesem Milieu fand er seine ersten Jobs, mal als Mitarbeiter des damaligen liberalen Helden Guido Westerwelle, dann als Referent der Theodor-Heuss-Akademie. Dort lernte er auch Christian Lindner kennen, den jetzigen Parteichef, mit dem er trotz aller Unterschiede im Wesen seit zwanzig Jahren befreundet ist. Seine Doktorarbeit schrieb der Politikwissenschaftler über das Innenleben der Jungen Liberalen. Der Vater zweier Töchter, der als Privatwagen einen Fiat 500 fährt, begann die eigene politische Karriere ganz unten als Kommunalpolitiker: Zweimal gewann er mit absoluter Mehrheit sein Mandat als Ratsherr seiner Wahlheimat Bonn.

Stamp, in seiner Jugend Schlagzeuger, hat gelernt, medial für sich zu trommeln. Zu Beginn der Fußball-WM posierte der Minister im Trikot des gescholtenen İlkay Gündoğan, um den Nationalspieler in Schutz zu nehmen gegen die Pfiffe von Fans nach seinen Sympathiebekundungen für den türkischen Machthaber Erdoğan. Genauso hat sich Stamp später vor Mesut Özil und gegen den DFB gestellt, dessen Verantwortliche den Sohn türkischer Immigranten für das frühe Ausscheiden in Russland verantwortlich machen wollten. Fußball ist eines der wenigen Dinge, bei denen Stamp eine gewisse Nähe zu Seehofer verspürt: Er ist Bayern-Fan.

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