Ägypten:Rabaa-Massaker bleibt ungesühnt

Egyptian President Abdel Fattah al-Sisi attends during the first anniversary of launching the New Suez Canal and the 60th anniversary of nationalizing the Suez Canal in Ismailia

Der ägyptische Präsident Abdelfattah darf Offizieren in zukunft lebenslange Immunität zugestehen.

(Foto: REUTERS)
  • Ein neues Gesetz in Ägypten erlaubt es dem Präsidenten, Militär-Offizieren lebenslang Immunität gegen Strafverfolgung zu verleihen.
  • Auch das sogenannte Rabaa-Massaker bleibt damit wohl ungesühnt. Dabei starben 2013 mehrere Hundert Menschen. Der heutige Präsident Abdelfattah al-Sisi hatte damals das Oberkommando.
  • Mit drei weiteren Gesetzen wird die Kontrolle über die Medien noch weiter ausgebaut. Journalisten sehen die Verfassung verletzt.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Das ägyptische Parlament hat ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz beschlossen, das es dem Präsidenten erlaubt, Offizieren des Militärs lebenslang Immunität gegen Strafverfolgung zu verleihen. Das gilt auch für alle Vorfälle in der Zeit zwischen dem 3. Juli 2013, dem Tag an dem der jetzige Präsident und damalige Verteidigungsminister Abdelfattah al-Sisi an der Spitze des Militärs die Macht übernahm, und dem 8. Juni 2014, als er den Amtseid als Staatschef ablegte. In diese Zeit fällt das sogenannte Rabaa-Massaker, in Ägypten oft euphemistisch als die "Räumung der Plätze" bezeichnet. Laut Menschenrechtsorganisationen töteten die Sicherheitskräfte mehr als 800 Menschen, das Gesundheitsministerium sprach von 638 Toten, unter ihnen 43 Polizisten.

Am 14. August 2013 stürmten die Sicherheitskräfte, überwiegend Polizisten, unter dem Oberkommando Sisis zwei Protestlager auf dem Rabaa al-Adawiya-Platz im Stadtteil Nasr City und ein kleineres auf der Nahda-Straße vor der Universität. Dort hatten sechs Wochen lang Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi kampiert und seine Wiedereinsetzung verlangt, unter ihnen viele Angehörige und Sympathisanten der Muslimbruderschaft, der auch Mursi vor seiner Kandidatur angehörte. Sie war nach dem Sturz des Diktators Hosni Mubarak zur führenden politischen Kraft aufgestiegen und stellte im Parlament die stärkste Fraktion und in Mursi dann auch den Präsidenten.

Das Militär stürzte Mursi nach Massenprotesten; sie gelten dem Regime bis heute als Ausweis der Legitimität. Die Regierung behauptete, die Gewalt sei von den Demonstranten ausgegangen. Augenzeugen, die in keiner Verbindung zu den Demonstrierenden standen, berichteten dagegen vom gezielten Einsatz scharfer Waffen durch die Sicherheitskräfte. Die Ereignisse lösten eine Welle der Gewalt aus, bei der auch Dutzende Polizisten getötet wurden.

Kontrolle über die weitgehend gleichgeschalteten Medien wird ausgebaut

Die Regierung setzt seither auf massive politische Repression und hat Zehntausende Anhänger der Muslimbruderschaft inhaftiert; die Organisation wurde als terroristische Vereinigung verboten, ihr Vermögen und das vieler Anhänger eingezogen. Offiziell wird die Machtübernahme des Militärs in Ägypten als Juni-Revolution bezeichnet, was ihr die gleiche Legitimität verleihen soll wie der Januar-Revolution 2011 während des Arabischen Frühlings. Eine politische Aussöhnung oder gar eine unabhängige juristische Aufarbeitung hat es nicht gegeben. Sie wird mit dem neuen Gesetz nun noch unwahrscheinlicher.

Es erlaubt dem Präsidenten per Dekret, Offizieren lebenslang einen Reservestatus zu verleihen, der ihnen Immunität und weitere Privilegien gewährt, unter anderem Diplomatenstatus bei Auslandsreisen. Fraglich ist, ob andere Staaten ihnen diese Immunität gewähren. Zugleich dürfen Strafverfahren gegen Angehörige des Militärs für mögliche Verbrechen in der Übergangszeit nur mit Zustimmung des Obersten Rats der Streitkräfte geführt werden.

Zugleich beschloss das Parlament drei Gesetze, mit denen die Regierung ihre Kontrolle über die ohnehin weitgehend gleichgeschalteten Medien ausbaut. Sie weiten die Befugnisse der Zensur aus und den Anwendungsbereich nicht näher definierter Straftatbestände wie die Verbreitung falscher Nachrichten - sie gelten künftig auch für Kanäle in sozialen Medien mit mehr als 5000 Nutzern. Journalisten kritisieren die Gesetze als verfassungswidrig und Verstoß gegen das Recht auf Pressefreiheit. Präsident Sisi muss die Gesetze noch unterzeichnen, damit sie in Kraft treten.

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