Bürgerentscheid:Widerspruch zur Puchheimer Politik

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Mit Mehrheit haben die Puchheimer die Geothermie in ihrer Stadt abgelehnt. Jetzt könnte es erneut eine Diskussion darüber geben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Bürgerinitiative ist überzeugt, dass keine Firma die Geothermie ohne Beteiligung der Stadt nutzen möchte

Von Peter Bierl, Puchheim

Worüber stimmen die Puchheimer beim Bürgerentscheid über Geothermie am kommenden Sonntag eigentlich ab? Diese Frage stellte ein Zuhörer am Montag bei der Veranstaltung der Bürgerinitiative gegen Geothermie im Kulturzentrum. Er zielte damit auf das Argument der Befürworter, sollte eine Mehrheit ablehnen, würde eine Privatfirma das Projekt alleine durchziehen, ohne dass die Stadt noch Einfluss nehmen kann.

Auf dem Stimmzettel können die Wähler entweder das Ratsbegehren ankreuzen, wonach die Stadt das Projekt weiter verfolgt, oder das Bürgerbegehren, das die Kommune dazu verpflichtet, das Projekt zu verhindern. Es geht also um mehr als nur darum, eine Beteiligung der Stadt zu stoppen. Vertreter der Bürgerinitiative wiesen darauf hin, dass die Stadt schon seit eineinhalb Jahrzehnten einen Partner gesucht, aber nur einen gefunden hat, die Bohrfirma Exorka. Nicht einmal das Bayernwerk sei interessiert, das die Geothermieanlage in Poing betreibt und in Puchheim bereits das Leitungsnetz für Fernwärme zur Verfügung hat. Die Rendite sei gering, die Beteiligung der Stadt mit 2,5 Millionen Euro und einer möglichen Aufstockung um eine knappe weitere Million für die Bohrfirma ein wichtiger Faktor.

Was die Gewinnaussichten einschränkt, ist, dass im Puchheimer Untergrund nur 80 Grad heißes Wasser vermutet wird. Das würde nur für eine Wärmeversorgung nicht aber für die Stromproduktion ausreichen. Aus diesem Grund hatte sich die Stadt Fürstenfeldbruck bereits 2009 von der Geothermie verabschiedet, deren Stadtwerke auch über ein Fernwärmenetz verfügen. Der damalige Oberbürgermeister hielt das Projekt für nicht wirtschaftlich. Obendrein würde das Puchheimer Netz derzeit nur ausreichen, um etwa 20 Gigawattstunden zu verkaufen, die Hälfte der erwarteten Energie. Wolle man den Absatz steigern, müssten das Netz ausgebaut und große kommunale Einrichtungen wie Schwimmbad, Schulhäuser oder Sportzentrum angeschlossen werden.

Allerdings sei Fernwärme sowieso zu teuer und werde vollends unrentabel, wenn ab 2020 eine EU-Regelung gilt, die für alle Neubauten einen äußerst niedrigen Energieverbrauch vorschreibt, erklärte Diplomingenieur Michael Pausch für die Bürgerinitiative. Die Gruppe ist sich auch sicher, dass die Kommune nicht sofort einen zweiten Anlauf startet, wenn die Bindung eines Bürgerentscheids nach einem Jahr entfällt. "So kurz vor der Kommunalwahl 2020 würden die das nicht machen", sagte Michael Peukert.

Weiteren Zündstoff bot die Kampagne des Parteienbündnisses für Geothermie aus CSU, Grünen, SPD und UBP, die auf den Klimaschutz abzielt. "Das ist ein Deckmäntelchen", sagte Pausch. Würde man die angeblich rund 16 Millionen Euro für die Geothermie in Solaranlagen und eine energetische Sanierung der Altbauten in der Planie investieren, wäre die Einsparung von Kohlendioxid höher. Pausch erinnerte auch daran, dass über die Fernwärmeleitungen viel Energie verloren geht. "Im Winter kann man am Büchlweg eine Stelle sehen, wo nie Schnee oder Eis liegt, weil darunter die Leitung verläuft", sagte er. Auf keine große Gegenliebe stießen auf dem Podium wie im Publikum die jüngsten Vorschläge von Bürgermeister und Bohrfirma, einen Fonds für Prozesskostenhilfe aufzulegen und einen Ombudsmann für Schäden bis zu 5000 Euro einzusetzen. Bei einem Wasserschaden im Keller sei diese Summe "ein Witz".

Dass vier Messstellen statt einer für Hebungen und Senkungen des Bodens sowie Erschütterungen eingerichtet werden sollen, bezeichnete Peukert als unzureichend. "Bei einem Erdbeben breiten sich die Wellen nicht kreisförmig aus. Es könnte also theoretisch passieren, dass die Maximalwelle zwischen zwei Messpunkten durchläuft." Um das zu vermeiden, müssten in Puchheim etwa 104 Stellen eingerichtet werden, sagte Peukert. Er verwies auf die Auseinandersetzungen in Poing. Dort hatten sich nach den Beben im Herbst 2017 etwa 50 Bürger gemeldet und Schäden an ihren Häusern reklamiert. Nach Einschätzung des Gutachters sollen allerdings über Jahre aufgebaute "Bauteilspannungen" die Risse ausgelöst haben. Dieses Ergebnis ist Wasser auf die Mühlen der Puchheimer Bürgerinitiative. Deren Vertreter warnen seit Monaten davor, dass im Schadensfall langwierige und teure Rechtsstreitigkeiten mit Gutachtern zu erwarten seien, weil die Geothermie-Betreiber auf Altschäden pochen würden. "Damit können sich Betreiber und Versicherer aus der Affäre ziehen", sagte Peukert.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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