Katalonien-Konflikt:Spaniens Justiz verhindert den Märtyrer Puigdemont

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Der europäische Haftbefehl gegen Carles Puigdemont wird zurückgenommen, der Separatist darf in Deutschland bleiben. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat damit ein riesiges Problem vom Hals.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Wer dieser Tage in Spanien als Deutscher außerhalb Kataloniens unterwegs war, konnte häufig bei Gesprächen diese augenzwinkernd vorgetragene Bitte hören: Behaltet Carles Puigdemont doch in Berlin! Dann ist er aus dem Weg! Nun hat die spanische Justiz den deutschen Kollegen den Weg frei gemacht, diesen Wunsch zu erfüllen. Sie hat den Europäischen Haftbefehl gegen den katalanischen Separatistenführer zurückgezogen und verzichtet damit auf eine Auslieferung.

Damit reagiert Richter Pablo Llarena auf die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, wonach Puigdemont nach einer Auslieferung in Spanien nur wegen Veruntreuung, nicht aber wegen Rebellion belangt werden dürfte. Das aber geht an der eigentlichen Intention der spanischen Justiz vorbei, die an Puigdemont ein Exempel gegen radikalen Separatismus statuieren wollte.

Erfolg für Puigdemont und Kataloniens Separatisten

Carles Puigdemont hat damit einen Etappensieg errungen. Die deutsche Justiz ist zum Akteur der spanischen Innenpolitik geworden, hat aus der Ferne gewissermaßen die Berechtigung des in der Tat drastischen Rebellionsvorwufes geprüft - und verworfen. Kataloniens Separatisten hauen das nun den spanischen Gerichten um die Ohren, die ja die dort einsitzenden Separatisten weiterhin wegen Rebellion und zivilen Ungehorsams aburteilen wollen.

Verhalten zufrieden hingegen dürfte der neue sozialistische Regierungschef Spaniens, Pedro Sánchez, über die Entscheidung von Richter Llarena sein, auf die Auslieferung zu verzichten. Sánchez hat ein riesiges Problem vom Hals. Wäre Puigdemont ausgeliefert und in Spanien wegen Rebellion zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, hätte der katalanische Separatismus einen Märtyrer mehr gehabt. Ein einsitzender Puigdemont wäre ein riesiges Hindernis bei dem Versuch gewesen, sich mit den Separatisten einigermaßen zu verständigen, wie Sánchez das ja nach eigenem Bekunden vorhat. Als Exilant in Berlin hingegen ist Puigdemont zwar auf freiem Fuß und kann versuchen, aus der Ferne ein bisschen mitzumischen - politisch ist er vorerst abgemeldet.

Im Kern ist die ganze Auseinandersetzung um Puigdemonts Auslieferung ein weiterer Beweis dafür, welch untaugliches Instrument der Europäische Haftbefehl in seiner vorliegenden Form ist. Zu unterschiedlich sind die Gesetzbücher, zu verschieden die Rechtspraxis, um drastische Maßnahmen wie die Inhaftierung etwa eines Politikers im Ausland zu begründen. Es zeigt sich, dass Europa nicht nur eine gemeinsame Finanzpolitik bräuchte, sondern auch ein gemeinsamer Rechtsraum werden muss.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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