Österreich:Kasperl und Krokodil

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Zwei Intimfeinde, die sich munter gegenseitig verklagen: Österreich-Chefredakteur Wolfgang Fellner (links) und Krone-Kolumnist Michael Jeannée.

(Foto: Karl Schöndor/picture alliance)

Zwei prominente Boulevardjournalisten liefern sich ein öffentliches Duell. Über ein bizarres Schauspiel.

Von Wolfgang Luef

Wenn Thomas Bernhard gefragt wurde, wo denn die beste Theaterbühne der Welt sei, gab er stets zur Antwort: "Österreich". Und auf die Nachfrage, wo genau, pflegte Bernhard zu sagen: "Nicht in Österreich. Österreich selbst ist es." Das Land, so meinte der ewig Schlechtgelaunte, biete eine größere und absurdere Vorstellung, als sie sich ein Regisseur je ausdenken könnte. Nur mit diesem Zitat im Ohr kann man sich noch einen Reim auf die bizarre Auseinandersetzung zweier österreichischer Journalisten machen, die gerade wieder in die Wiener Schlagzeilen geraten ist: Michael Jeannée, erzreaktionärer Kolumnist der Kronen Zeitung, und Wolfgang Fellner, schillernder Chefredakteur einer Boulevardzeitung mit dem anmaßenden Namen Österreich. Gerade haben die beiden Intimfeinde einen weiteren Akt in ihrem Theaterstück auf der Bühne Österreich abgeschlossen - wäre es doch nur endlich der letzte!

Der Kolumnist darf, so hat das Handelsgericht Wien nun entschieden, dem verfeindeten Chefredakteur nicht weiter ein "fettes Lächeln" attestieren, seinen Journalismus nicht mehr "widerwärtig" nennen und nicht weiter "Hinaus mit dem Schuft aus Wien!" fordern. Seit mehr als einem Jahr geht diese Auseinandersetzung auf offener Bühne schon, während sich ein Großteil des Publikums beschämt davon abwendet. Den ersten Akt eröffnete eine Schlagzeile in Österreich, die entweder enorm perfide oder enorm gedankenlos war. Wer sich diese Zeitung einmal genauer ansieht, wird schnell zu dem Schluss gelangen, dass Zweiteres wahrscheinlicher ist. Fellners Österreich ist eine einzige Gedankenlosigkeit: trivial, schrill, überdreht, voller Bikinifotos und Flüchtigkeitsfehler.

Als nun im Juni 2017 ein renommierter österreichischer Politiker an der Parkinson-Krankheit starb, titelte die Zeitung: "Bewegender Parkinson-Tod". Bewegend? Konnte das eine absichtliche Anspielung auf die Symptome dieser Krankheit sein? Auftritt Michael Jeannée von der Kronen Zeitung. Er unterstellte sofort böse Absicht und teilte in seiner täglichen Krone-Kolumne, dieser etwas blassen Kopie der "Post von Wagner" in Bild, gegen den Konkurrenten aus. Und Fellner klagte.

Den Begriff "Promille-Schreiber" hat ein Gericht verboten, "Sudelkolumnist" aber sei okay

Inhaltlich ist auch Jeannée nicht zimperlich: Als ein Polizist vor zehn Jahren einen 14-jährigen Supermarkt-Einbrecher tötete, schrieb er: "Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben." Eine seiner "Me Too"-Kolumnen, in der er mit einem gewissen Stolz berichtete, einst seine "17-jährige Sekretärin mit wunderschönen Händen um eine Fußmassage gebeten" zu haben, wurde jüngst vom Chefredakteur nach dem ersten Andruck aus dem Blatt genommen. Dennoch: Jeannée ist auf der Bühne Österreich eher Kasperl als Krokodil, ein allseits beliebter Adabei, zu dessen 75. Geburtstag Kanzler Sebastian Kurz und der designierte Wiener Bürgermeister Michael Ludwig erschienen.

Nun schrieb also Fellners Zeitung über Jeannée, dieser verfasse seine Kolumnen gemeinhin in stark alkoholisiertem Zustand, er sei ein "Besoffener", ein "Promille-Schreiber" und überdies ein übler "Kolumnisten-Schuft" mit "dreckigen Fantasien". Und Jeannée klagte.

Alle weiteren Akte dieses Stücks spielten sich dann vor unterschiedlichen Gerichten ab. An vielen Verhandlungstagen in zwei getrennten Verfahren wurden Formulierungen abgewogen, die Verantwortung von Chefredakteuren für missglückte Schlagzeilen diskutiert und ehemalige Kollegen geladen, um über Trinkgewohnheiten am Arbeitsplatz Auskunft zu geben. Nun hat das Handelsgericht Wien gegen die Krone entschieden. Die Entscheidung ist rechtskräftig, doch der Vorhang noch längst nicht gefallen. Das Wiener Landesgericht stellte derweil nämlich fest: Jeannée einen "Promille-Schreiber" zu nennen, ist verboten, "Sudelfeder" und "Sudelkolumnist" hingegen okay. Beide Parteien legten dagegen Berufung ein. Beide Parteien wollen den nächsten Akt. Das Publikum wird nicht gefragt.

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