Fernwärme:Grüner heizen

Moosach Holzstapel für Heizkraftwerk

In der Gemeinde Moosach östlich von München wird derzeit ein Nahwärmenetz errichtet. Die alten Ölheizungen sollen durch Biomasse und Solarthermie ersetzt werden.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Erneuerbare Energien spielen bei der Fernwärme bisher kaum eine Rolle - obwohl der Staat für den Aufbau klimafreundlicher Netze Zuschüsse zahlt. Experten fordern nun neue Instrumente.

Von Ralph Diermann

Moosach ist eine Gemeinde vierzig Kilometer östlich des Münchner Zentrums, Ausflüglern bekannt wegen des idyllischen Steinsees. Rund um See und Siedlung gibt es viel Wald - und damit eine Menge Brennstoff. Die Moosacher heizen jedoch bisher lieber mit Energie aus weiter Ferne: In fast jedem Haus steht ein Ölkessel. Die will die Kommune nun überflüssig machen. Dazu hat sie zusammen mit zwei Partnern vor einigen Wochen den Bau eines Wärmenetzes begonnen. Gespeist werden soll es in erster Linie von drei Holz-Heizkesseln. "Wir werden dort ausschließlich Restholz eines lokalen Sägewerks sowie von Waldbauern aus der Umgebung einsetzen", erklärt Willi Mirus, zweiter Bürgermeister von Moosach.

Ergänzt werden die Biomassebrenner durch eine mehr als tausend Quadratmeter große Solarthermieanlage. "Die Sonnenkollektoren werden so viel Energie erzeugen, dass sie von Ende April, Anfang Mai bis September oder Oktober die Wärmeversorgung allein übernehmen können", sagt Mirus. Insgesamt 4,3 Kilometer Länge wird das Netz in der letzten Ausbaustufe haben, rund 120 Gebäude sollen darüber mit klimafreundlicher Heizenergie versorgt werden.

Moosach ist kein Einzelfall: Überall im Lande sind in den vergangenen Jahren Wärmenetze entstanden, die mit erneuerbaren Energien - Biogas, Holzpellets oder -hackschnitzel, Solarthermie, Wärmepumpen oder Tiefengeothermie - betrieben werden. Solche Versorgungskonzepte sind für Investoren und Betreiber aus vielerlei Gründen attraktiv. Die Entwickler neuer Stadtquartiere verbessern damit den ökologischen Fußabdruck ihrer Immobilien, was ihnen bei der Vermarktung der Wohnungen oder Häuser nutzt. Zudem erfüllen Bauherren das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, wenn sie ihre Gebäude auf diese Weise versorgen. Kommunen stärken damit die lokale Wertschöpfung und verbessern ihre Klimabilanz, Waldbesitzer und Biogasbauern erschließen eine zusätzliche Erlösquelle, Stadtwerke gewinnen neue Kunden.

Trotz solcher Projekte wird die Fern- und Nahwärmeversorgung in Deutschland aber immer noch von den fossilen Energien dominiert. Laut Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stammen fast vierzig Prozent der Wärme aus Erdgas und 28 Prozent aus Braun- und Steinkohle.

Viele der großen Wärmenetze in den Städten werden mit der Abwärme fossiler Kraftwerke betrieben, kleinere Fern- sowie Nahwärmenetze oft mit Wärme aus gasbefeuerten Blockheizkraftwerken. Der Anteil der erneuerbaren Energien in den Wärmenetzen beträgt dagegen gerade einmal gut sieben Prozent. Weitere sechs Prozent stammen aus Bioabfällen, die in Müllverbrennungsanlagen verfeuert werden. Der Rest entfällt auf nicht-biogenen Müll sowie auf Abwärme aus Industriebetrieben. Der Bund unterstützt den Auf- und Ausbau klimafreundlicher Wärmenetze mit Zuschüssen. Auch die Erzeugung von Öko-Wärme fördert der Staat. Geld allein genügt jedoch nicht, meint Matthias Sandrock, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Hamburg Institut. "Um den Anteil der erneuerbaren Energien in der Fern- und Nahwärme spürbar zu steigern, brauchen wir zusätzliche Instrumente", erklärt der Experte für ökologische Wärmekonzepte.

Einiges bringen könnte seiner Meinung nach eine Mindestquote für erneuerbare Energien in den Wärmenetzen. Die Versorger müssten dann einen bestimmten Prozentsatz der gelieferten Heizenergie aus regenerativen Quellen erzeugen. Dabei sei es sinnvoll, mit einem niedrigen Wert zu beginnen, der dann nach und nach plangemäß steigt. "Das gibt den Versorgern Investitionssicherheit", sagt Sandrock. Alternativ könne man auch einen Grenzwert für CO2-Emissionen vorgeben.

Die Versorger zeigen sich jedoch alles andere als begeistert von dieser Idee. "Die Betreiber von Wärmenetzen sind ohnehin bestrebt, den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern. Verpflichtende Erneuerbare-Energien-Quoten sind da nicht hilfreich", erklärt Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des BDEW. Man könne die Wärmenetze schließlich nicht über einen Kamm scheren; die Bedingungen in einem großen Netz etwa im Ruhrgebiet seien völlig andere als die in einem ländlichen Nahwärmenetz. "Die Versorger müssen individuelle Lösungen finden. Es wäre deshalb falsch, sie auf eine allgemeingültige Quote zu verpflichten."

Ein anderer Hebel wäre eine Verteuerung fossiler Brennstoffe durch eine CO2-Steuer, deren Höhe sich nach den Emissionen der Energieträger bemisst. Einige Länder, so Frankreich und die Schweiz, haben eine solche Abgabe eingeführt. "Betreiber von Fern- und Nahwärmenetzen bekämen damit einen Anreiz, vermehrt CO2-neutrale Energie, etwa aus Solarthermie oder Biomasse-Anlagen, einzusetzen", sagt Peter Röttgen, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Um die Haushalte nicht zu belasten, könnte das Steueraufkommen an die Bürger rückerstattet oder zur Senkung der Stromsteuer genutzt werden. Die SPD unterstützt die Einführung einer solchen Abgabe, konnte im Koalitionsvertrag aber nur deren Prüfung festschreiben.

Daneben sollte die Politik nach Meinung des BEE aber noch an einem weiteren Punkt ansetzen: bei den Steuern, Abgaben und Umlagen auf Ökostrom, der für die Erzeugung von Wärme mit einer sogenannten Power-to-Heat-Anlage - eine Art riesiger Tauchsieder - genutzt wird. Diese Anlagen erzeugen immer dann Fern- oder Nahwärme, wenn die Elektrizitätsnetze an Kapazitätsgrenzen stoßen, weil zu viel Strom erzeugt wird. "Das verhindert, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeregelt werden müssen", sagt Röttgen. Da der Strom wegen der staatlich festgesetzten Aufschläge jedoch teuer ist, lohnt sich dieses Konzept momentan für kaum einen Versorger.

Beim Strom werden heute bereits gut vierzig Prozent des Bedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt. Dass der Umstieg hier so schnell geht, liegt unter anderem daran, dass jeder Betreiber einer Erneuerbare-Energien-Anlage seinen Strom nahezu ungehindert ins Netz speisen darf. Ein Erfolgsrezept auch für die Fern- und Nahwärme? Immerhin nennt die EU die Öffnung der Wärmenetze in ihrer neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie ausdrücklich als Instrument, um die Fern- und Nahwärme klimafreundlicher zu machen. Auf dem Papier haben Wärmeerzeuger hierzulande schon heute das Recht, Heizenergie in die Netze zu leiten - mit der Einschränkung, dass dem keine technischen Gründe entgegen stehen dürfen. Was zur Folge hat, dass dieses Recht kaum in Anspruch genommen wird.

Der BDEW weist darauf hin, dass die Öffnung der Netze für Dritte alles andere als trivial sei. "Wärmenetze sind Inselnetze. Anders als beim Strom kann man also nicht Wärme in andere Netze verschieben, wenn sie gerade vor Ort nicht gebraucht wird", erklärt Kapferer. Zudem müsse die Frage der Versorgungssicherheit beantwortet werden: Was geschieht, wenn sich ein Wärmelieferant auf die Einspeisung von Wärme aus erneuerbaren Energien durch einen Erzeuger eingestellt hat, dessen Anlage aber ausfällt? Anders als im Stromnetz könne sich der Wärmenetzbetreiber nicht aus einer vorgelagerten Netzebene entsprechende Fehlmengen beschaffen. "Solche Fragen müssen beantwortet und die Rahmenbedingungen eindeutig geklärt sein", so der Verbandschef.

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