Krimikolumne:Statt Tatort

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Während die ARD nur Wiederholungen sendet, kann man getrost mal anderen Ermittlern zuschauen. Zum Beispiel einer Dorfpolizistin und einem Tierarzt - in einem auf sehr charmante Art langsamen Provinzkrimi. Folge 6 der Sommerkolumne.

Von David Denk

Der Tatort macht Sommerpause, das Erste zeigt nur Wiederholungen. Jetzt kann man endlich mal andere Krimis schauen. Denn: Auch andere Sendeplätze haben schöne Ermittler.

Sicher ist sicher: Dorfpolizistin Lona Vogt (Henny Reents) zieht dann doch noch zwei verschiedene Wollsocken an, auch wenn sie eigentlich nicht mehr an die Legende vom "Wilden Sven" glaubt: Der Wikingeranführer soll das Küstenkaff Schwanitz mit einem Fluch belegt haben, der alle sieben Jahre zwei Einwohner das Leben kostet. Und einen hat er schon geholt: Der Mann liegt tot auf seinem Bett, aber ist offenbar ertrunken, wie die Leichenschau ergibt, mit der Vogt den kürzlich zugezogenen Tierarzt Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) beauftragt, angeblich weil der Dorfarzt wieder nicht erreichbar ist. Als Vogt den schweigsamen Veterinär mit dem Welpencharme dann auch noch bittet, sie bei den Ermittlungen zu unterstützen, einen zweiten Todesfall zu verhindern, steht Jacobs' Assistentin Jule Christiansen (Marleen Lohse) die Eifersucht ins Gesicht geschrieben.

Ein blonder Mann zwischen zwei rothaarigen Frauen - "der Homo Sapiens ist auch nur ein Tier", sagt Jacobs, womit er seine Qualifikation als Leichenbeschauer verdeutlichen möchte, was aber auch als Kommentar zum Gebalze zwischen den drei Ostsee-Singles gelesen werden kann. Deren verdruckste Annäherung scheint Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt und Regisseur Jochen Alexander Freydank auch im zweiten Film der Reihe Nord bei Nordwest fast wichtiger zu sein als der zu lösende Kriminalfall. Die subtile Erotik zwischen den Hauptfiguren ist zu kostbar, um sie als Triebfeder der Handlung vorschnell aufzugeben.

"Der wilde Sven" ist ein Provinzkrimi - aber gottlob keiner von der um Witzischkeit bemühten Sorte, eher unterspielt-skurril. Der Film schlägt einen dem Temperament der Einheimischen entsprechend gemächlichen Ton an. In Schwanitz ticken die Uhren langsamer als in der Großstadt, aus der Jacobs, früher selbst Polizist, aufs Land gezogen ist. Oder muss man sagen: geflohen? Spricht man ihn auf seine Motive an, kommt nicht viel mehr als: "Ich wollte irgendwas mit Tieren so." Dass der Film zäh und charmant zugleich ist, hat viel mit Hauptdarsteller Schönemann zu tun, der geboren zu sein scheint, um genau diesen Männertyp zu spielen: Einzelgänger, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, ja geradezu eingekapselt sind, um sich für andere Menschen, geschweige denn: Frauen, zu interessieren. Das ist Schönemanns Kunst: dass man ihm locker zutraut, ein (dunkles) Geheimnis mit sich herumzuschleppen. Welches das ist, wird in "Der wilde Sven" zunehmend klarer. Ist aber eigentlich auch nicht so wichtig.

Nord bei Nordwest: Der wilde Sven, One, Samstag, 20.15 Uhr und in der ARD-Mediathek.

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