Fall Wolski: Richterin gibt auf:"Diffamierende Vorwürfe"

Die hessische Verfassungsrichterin Karin Wolski tritt nach der Verurteilung ihres Ehemannes wegen Steuerhinterziehung zurück. Doch ihrer Familie droht weiteres Ungemach.

U. Ritzer und M. Widmann

Nein, er bereut nichts. Als Michael Wolski, 61, das Landgericht Darmstadt als verurteilter Steuerhinterzieher verlässt, zeugt seine Miene von Uneinsichtigkeit und Selbstmitleid. Gerade hat ihn der Vorsitzende Richter der 9. Strafkammer, Rainer Buss, anderthalb Stunden lang in harten Worten als notorischen Steuerstraftäter charakterisiert, der mit gefälschten Dokumenten gearbeitet und im Prozess "einen ganzen Parcours von Nebelkerzen" gesteckt habe. Doch der hochgewachsene Anwalt mit dem fahlen Gesichtsausdruck fühlt sich als Opfer. Genauso wie offenkundig seine Ehefrau, die wenige Stunden später ihren Rücktritt als eine der ranghöchsten Richterinnen Hessens erklärt.

Karin Wolski, 59, ist bis dahin Mitglied im Staatsgerichtshof von Hessen gewesen. Nun beklagt sie "diffamierende Vorwürfe" gegen ihre Person. "Die vergangenen sechs Monate waren für mich die schwerste Zeit meines Lebens", klagt sie. Ihr hohes Richteramt gebe sie "mit erhobenem Haupt auf und in dem Wissen, mein Amt entsprechend meinem Amtseid gerecht verwaltet und die Verfassung getreulich gewahrt zu haben". Mehr Pathos geht kaum.

Dabei hat Karin Wolski nach Auffassung des Gerichts massiv davon profitiert, dass ihr Mann sich die mehr als 25 Jahre ältere, reiche Geschäftsfrau Margit C. gefügig gemacht, ihr Vermögen um Unsummen geplündert und dabei 1,1 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. Die ganze Familie Wolski lebte ein Stück weit von der Großzügigkeit der verliebten 86-Jährigen. Auf die Richterin waren Luxusautos und die Hälfte einer Ferienwohnung auf Mallorca eingetragen - bezahlt von Margit C.

Je länger der Prozess gegen Michael Wolski dauerte, desto lauter wurden daher die Forderungen nach dem Rücktritt seiner Frau, der Verfassungsrichterin. Vor allem als klar wurde, dass die Wolskis über Jahre keine Steuererklärungen abgegeben hatten. Am Freitag wurde Michael Wolski zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Der Prozess hat nun ein landespolitisches Nachspiel. Mit dem Darmstädter Urteil im Rücken greift die Opposition an. Eine "skandalöse Zurückhaltung von Finanz- und Justizbehörden gegenüber dem Ehepaar Wolski", kritisierte der Grünen-Parlamentarier Andreas Jürgens.

Und die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Heike Hofmann, sieht das Vorgehen der Finanzverwaltung "zumindest in der Nähe der Strafvereitelung". Hofmann saß als Zuhörerin im Gerichtssaal, als Richter Buss die Vermutung "völlig abwegig" nannte, jemand ganz oben im Staate Hessen halte aus Rücksicht auf die in der CDU bestens vernetzte Richterin seine schützende Hand über deren Familie. Vielmehr ist nach Ansicht des Gerichtes der Zustand der hessischen Finanzbehörden verheerend.

Jahrelang fragte kein Finanzbeamter die Wolskis nach den fehlenden Steuererklärungen. Buss verwies auf überforderte Finanzbeamte im Zeugenstand. Nicht die Fallzahlen in den Behörden seien zu hoch, sondern deren personelle Ausstattung mangelhaft. Finanzbeamte seien so schlecht ausgebildet, dass sie mutmaßlichen Steuerstraftätern zu Selbstanzeigen rieten, anstatt sie, wie es das Gesetz verlangt, strafrechtlich zu verfolgen.

Diese Vorwürfe treffen frontal einen der seit Jahrzehnten engsten Weggefährten von Ministerpräsident Roland Koch: Finanzminister Karlheinz Weimar. Seit Kochs Amtsübernahme 1999 ist der CDU-Politiker auf diesem Posten. Der Fall Wolski "ist nicht gut gelaufen", räumte Weimar Ende Januar im Landtag genervt ein, "da ist in Teilen nicht gut gearbeitet worden." Seine Hoffnung, damit die politische Diskussion um den Fall Wolski zu beenden, erfüllte sich nicht. Im Prozess hagelte es von allen Seiten Ohrfeigen gegen die Finanzbehörden. Ermittler und Verteidiger waren sich ausnahmsweise einig, dass deren Arbeit Wolskis Straftaten erleichtert habe.

Es ist nicht das erste Mal, dass Minister Weimar wegen des Zustands seiner Finanzverwaltung unter Beschuss gerät: Mehr dazu lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Es fing wirklich an zu brennen"

Es ist nicht das erste Mal, dass Minister Weimar wegen des Zustands seiner Finanzverwaltung unter Beschuss gerät. Ende der Neunziger durchsuchten Steuerfahnder viele Großbanken und sammelten gewaltige Mengen an belastendem Material gegen Steuerflüchtlinge aus der ganzen Republik. Doch das zuständige Frankfurter Finanzamt V schaffte die Arbeit nicht. Zahlreiche Verfahren drohten zu verjähren.

"Es fing wirklich an zu brennen", sagte ein Mitarbeiter später bei seiner Anhörung in einem Untersuchungsausschuss des Landtages. "Massive Probleme in der Organisation der Steuerverwaltung" monierten damals die Grünen in ihrem Abschlussbericht. Derzeit tagt erneut ein Untersuchungsausschuss, dessen Erkenntnisse für Weimar unangenehm werden könnten. Das Gremium prüft, ob vier unbequeme Steuerfahnder mit psychiatrischen Gefälligkeitsgutachten aus dem Dienst gedrängt wurden, um Ruhe vor ihnen zu haben.

Auch der Fall Wolski ist längst noch nicht abgeschlossen. Karin Wolski ist ungeachtet ihres Rücktritts aus dem Staatsgerichtshof noch Vizepräsidentin des Frankfurter Verwaltungsgerichtes. Seit 25. Januar ist sie krankgeschrieben. Womöglich braucht sie den Job aber noch, denn ihrer Familie droht weiteres, auch finanzielles Ungemach.

In Frankfurt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreue, Betrug und Geldwäsche gegen Michael Wolski und die Witwe Margit C. Jürgen Fischer, Anwalt von Angehörigen der Witwe, die sich durch die Millionenschenkungen an die Wolskis um ihr Erbe gebracht sehen, kündigte an, "dass meine Mandanten Rückzahlungsansprüche gegen die Wolskis geltend machen werden". Das Darmstädter Urteil biete dafür eine Steilvorlage, meint Fischer. "Gegen diese drastische Urteilsbegründung waren die Posaunen von Jericho Kindertrompeten", sagt er.

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