Profil:Asmik Grigorian

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(Foto: Algirdas Bakas)

Die litauische Sopranistin begeistert das Publikum der Salzburger Festspiele.

Von Rita Argauer

Erstaunlich viele Biografien klassischer Musiker beginnen mit einer ähnlichen Phrase: Die Person, um die es geht, sei in eine musikalische Familie hineingeboren worden. In kaum einem anderen Tätigkeitsfeld erscheint der Beruf derart als Folge familiärer Prägung wie in der klassischen Musik. So auch bei Asmik Grigorian. Die litauische Sopranistin wird gerade einhellig und euphorisch für ihre Darstellung und Gesangsleistung in Richard Strauss' Oper "Salome" bei den Salzburger Festspielen bejubelt. Die Recherche fördert dann auch den zu erwartenden Satz zutage: Grigorian wurde 1981 in Vilnius geboren, als Tochter der litauischen Sopranistin Irena Milkevičiūtė und des armenischen Tenors Gegam Grigorjan.

Doch was bedeutet der antiquierte Rückgriff auf dynastische Strukturen? Erst einmal dient er wohl dazu, etwas so Unerklärliches wie eine herausstechende künstlerische Begabung greifbar zu machen. So scheint auch bei Asmik Grigorian, die in Romeo Castelluccis "Salome"-Inszenierung in Salzburg ein von ihrer Ausdruckskraft erschlagenes Publikum zurückgelassen hat, das Talent nicht vom Himmel gefallen zu sein. Stattdessen begann ihre musikalische Ausbildung, so wird es zumindest suggeriert, quasi schon im Mutterleib oder mindestens in der frühen Kindheit. Und nicht erst am nationalen Kunstgymnasium in Vilnius, wo sie als Jugendliche zunächst Klavier und Chordirigat lernte.

2004 gab Grigorian ihr Bühnendebüt als Desdemona in Verdis "Otello" an der Oper im georgischen Batumi. 2006 schloss sie ihr Studium in Gesang an der litauischen Akademie für Musik und Theater ab. Es folgten zahlreiche Engagements, zunächst in ihrem Heimatland, dann in ganz Osteuropa und von 2011 an auch im deutschsprachigen Raum, zuletzt etwa als Nastasja in Tschaikowskys "Zauberin" in Wien oder als Tatjana in dessen "Eugen Onegin" an der Komischen Oper in Berlin. Um die 80 Rollen hat die 37-Jährige im Repertoire. Neben den italienischen Glanzpartien, wie Verdis Violetta Valéry oder Puccinis Manon, sang sie auch schon die Donna Anna in Mozarts "Don Giovanni" und mit Werken von Prokofjew, Bartók oder Janáček auffallend viel aus der frühen Moderne. In Salzburg ist sie keine Unbekannte: Im vergangenen Jahr gab sie bei den Festspielen dort eine ebenfalls viel gelobte Marie in Alban Bergs "Wozzeck".

Doch auch wenn der Weg einer Sängerin, die vermutlich schon qua Vererbung mit einem guten Gehör ausgestattet ist und deren Talent früh geschult wurde, ein Stück weit vorgezeichnet zu sein scheint - bis zur emotional wuchtigen und erschütternden Darstellerin, die ihr stimmliches Können dazu nutzt, sich auf der Bühne den Figuren, die sie spielt, ganz auszuliefern, ereignen sich manchmal besondere Dinge. Eine solche Wendung hat Grigorian mit ihrer Salzburger Salome nun hinter sich; vor ihr liegt eine Karriere als Star. Eine ähnliche Wendung nahm auch Anna Netrebkos Karriere bei den Salzburger Festspielen, nach ihrem Auftritt dort als Donna Anna im Jahr 2002.

Nach der Vorstellung an diesem Wochenende ging Regisseur, Bühnenbildner und Gesamtkonzepterschaffer Romeo Castellucci beim Schlussapplaus vor Grigorian auf die Knie: Sie hatte mit ihrer ebenso sicheren wie narrationsstarken Stimme seine Vorstellung der Salome lebendig werden lassen. Hier haben sich zwei verstanden und den biblischen Stoff um die mordlüsterne Tänzerin im Palast des Herodes für ein gegenwärtiges Publikum erfahrbar gemacht. Castelluccis rituell-assoziative und experimentelle Regie für die Oper, die 1905 uraufgeführt wurde, fügte sich mit Grigorians Talent, sich im Neuen und unerforschten ästhetischen Terrain einzubringen, das sie schon 2012 in John Cages "Europeras 1 & 2" bei der Ruhrtriennale bewiesen hat. Sich in die Zukunft zu wagen, das verschafft mehr Starqualität als sämtliche biografische Vergangenheit.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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