Wahl im Oktober:So steht es im bayerischen Landtagswahlkampf

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(Foto: Sven Hoppe/dpa; Bearbeitung SZ)

Wie groß ist der Vorsprung der CSU? Wo stehen die kleinen Parteien? Welche Koalitionen sind möglich?

Von Katharina Brunner, Christian Endt, Lisa Schnell und Martina Schories

Der aktuelle Stand

Wie in Bayern üblich, liegt die CSU mit großen Vorsprung vor allen anderen Parteien. Nach einer absoluten Mehrheit sieht es im Moment jedoch nicht aus. Die Umfragewerte waren im Sommer so niedrig wie nie zuvor.

Um die 20 Prozentpunkte hinter der CSU liegen relativ nah beieinander die AfD, die Grünen und die SPD. Würde jetzt gewählt, könnte es bei den drei Parteien jede Reihenfolge geben. Die Freien Wähler würden nach momentaner Lage den Wiedereinzug in den Landtag schaffen, auch für die FDP ist das nicht unmöglich.

Seit Oktober 2017 haben die CSU und die SPD leicht an Umfragewerten verloren, die Grünen und die AfD haben hinzugewonnen.

Deshalb stellen wir Umfragen anders dar

Meinungsumfragen sind keine Prognosen, sondern geben die politische Stimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt wider. Sie sind immer unsicher. Ihr Ergebnis ist deshalb kein bestimmter Wert, sondern eine Spanne: Kommt die CSU derzeit auf etwa 38 Prozent, so liegt die Zustimmung unter den Befragten tatsächlich etwa zwischen 36 und 42 Prozent.

Nur einen einzelnen Wert anzugeben, vermittelt eine Genauigkeit, die nicht existiert. Bei SZ.de wollen wir mit dem Projekt Beta Polls exakter über Umfragen berichten, indem wir weniger präzise Werte kommunizieren. Wie das funktioniert? Mehr zur Methodik können Sie in diesem Text lesen.

Mit wem könnte die CSU regieren?

Von einer absoluten Mehrheit traut sich derzeit in der CSU kaum jemand zu träumen. Sie muss ihre Macht wohl teilen. Nur: Mit wem? Eine Übersicht über Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Ministerträume.

Schwarz-Grün (CSU und Grüne)

Auf ihrem Parteitag Anfang Mai hatten die Grünen eine Uhr aufgestellt, die Tage und Stunden zählte, bis die Grünen endlich an die Macht kämen. 15 Prozent bräuchten sie für einen Regierungsanspruch, sagte Spitzenkandidat Ludwig Hartmann damals. Jetzt haben sie sogar zwei Prozentpunkte mehr, zusammen mit der CSU kämen sie also auf etwa 54 Prozent. Und auch die Zustimmung in der Bevölkerung für Schwarz-Grün liegt konstant hoch bei etwas über 40 Prozent. Das einzige Problem: Den Grünen ist ihr Koalitionspartner abhanden gekommen. Mit Ministerpräsident Markus Söder wollen sie sich nicht mehr an einen Verhandlungstisch setzen, seitdem er einen "Sprung nach Rechtsaußen zu den Feinden Europas" hingelegt hat, wie es Hartmann sagt. Ganz zuziehen will er die Tür aber nicht. Seine Voraussetzung: Der antieuropäische Kurs der CSU müsse "komplett weg". Ob dann das derzeitige Erfolgsmodell der Grünen, sich als absolutes Gegenmodell zur CSU zu präsentieren, noch genauso verfängt? Hartmann meint zumindest, bei 17 Prozent sei für die Grünen noch nicht Schluss.

Falls sie mitregieren sollten, kann er sich ein Ministerium vorstellen, in dem Landwirtschaft und Umwelt zusammengelegt sind. Auch ein neues Ressort, das sich mit Chancengleichheit befasst, findet er interessant. Eine Kleinigkeit aber fehlt zu Schwarz-Grün noch: die Euphorie der CSU, die derzeit etwa bei knapp über Null liegt. Es überwiegt die Befürchtung, dass die CSU in einem Bündnis mit den Grünen das bürgerliche Lager an Freie Wähler, FDP und AfD verliert. Auch Hartmann sagt: "Die Grünen sind der schwierigste Partner für die CSU." Mehr inhaltliche Überschneidungen gibt es mit den Freien Wählern.

Schwarz-Orange (CSU und Freie Wähler)

Noch lieber als die Grünen würden die Wähler derzeit die Freien Wähler an der Seite der CSU sehen (um die 45 Prozent). Ihr Chef, Hubert Aiwanger, lässt keine Gelegenheit aus, um sich als Partner anzubieten. Als einzige Oppositionspartei im Landtag sehen die FW in der rhetorischen Orientierung der CSU an der AfD kein Hindernis für ein Bündnis. Aiwanger hofft darauf, dass unzufriedene Wähler von der Möglichkeit eines schwarz-grünen Bündnisses so abgeschreckt sind, dass sie ihre Stimme lieber den Freien Wählern als der AfD schenken. Seinen Wählern verspricht er, dass es mit den FW keine dritte Startbahn am Münchner Flughafen geben werde. Die CSU-Fraktion im Landtag dagegen befürwortet das Projekt. Auch über ein paar Polder an der Donau würde Aiwanger in Sondierungen gerne reden oder eine dezentrale Energieversorgung. Auch ein neues Ministerium für Energie und Digitalisierung kann er sich vorstellen.

Derzeit kämen FW und CSU zusammen auf deutlich mehr als 40 Prozent und könnten damit knapp eine Mehrheit haben. In der CSU aber kommt vor allem von den kommunalen Vertretern Widerstand gegen ein solches Bündnis. Schon jetzt sind die FW in den Kommunen stark und könnten durch einen Platz in der Staatsregierung noch stärker werden, so die Befürchtung in der CSU. Wenn es schon sein muss, dann würden die meisten in der CSU ihre Macht noch am ehesten mit der FDP teilen wollen. Wobei einige hier auch von einem gewissen Dilemma sprechen, denn es ist auch Ziel der CSU, den Einzug der Liberalen zu verhindern, weil so die benötigte Stimmenzahl für eine Mehrheit sinkt.

Schwarz-Gelb (CSU und FDP)

Derzeit könnte die FDP den Sprung von der außerparlamentarischen Opposition ins Parlament knapp schaffen. Für eine Zweierkoalition mit der CSU reicht das allerdings nicht. Mit ihrem selbst gesteckten Wahlziel, acht Prozent, sähe das wohl anders aus. So viel hatte die FDP auch 2008, als es die Liberalen schon mal auf die Regierungsbank schafften und zwei Minister und einen Staatssekretär stellten. Derzeit befürworten immerhin um die 35 Prozent der Bayern eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb, FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen gehört dazu. Allerdings müsste die CSU dafür "wieder in die Mitte rutschen". Das heißt für ihn ein klares Bekenntnis zu Europa und ein sprachliches Abrüsten in der Flüchtlingspolitik. Inhaltlich sieht er dort sonst keine allzu großen Differenzen. Bis auf eine: Die CSU müsse aufhören, gut integrierte Einwanderer, die der bayerische Arbeitsmarkt brauche, abzuschieben.

Im Sommer will die FDP sich festlegen, welche Forderungen für sie in Sondierungen unverhandelbar sind. Die dritte Startbahn sei wichtig und ein liberales Ladenschlussgesetz, sagt Hagen und weist gleich darauf hin: Der im katholischen Bayern besonders heilige Sonntag sei davon nicht betroffen, da Bayern als Bundesland darüber gar nicht zu entscheiden habe. In ihrem Wahlprogramm tritt die FDP trotzdem dafür ein, dass Läden sieben Tage die Woche geöffnet sein können. Auch von Innovation ist da oft die Rede. Die Liberalen würden - falls sie die Chance bekommen - deshalb nach Ministerposten greifen wollen, die mit Wissenschaft, Wirtschaft oder Digitalisierung zu tun haben. Die Chancen für ehemalige FDP-Minister wie Wolfgang Heubisch oder Martin Zeil, wieder auf einem Kabinettsstuhl Platz zu nehmen, dürften sich allerdings in Grenzen halten.

Schwarz-Rot (CSU und SPD)

An die Grenzen ihrer Vorstellungskraft stößt SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen, wenn sie an ein Bündnis mit Ministerpräsident Söder denkt. Nach den Erfahrungen, die die SPD im Bund in der großen Koalition gemacht hat, strebt kaum einer in der Bayern-SPD ein Bündnis an, auch wenn es rein rechnerisch vielleicht möglich wäre. In der Bevölkerung können sich etwa 33 Prozent eine große Koalition vorstellen.

Schwarz-Blau (CSU und AfD)

Rein rechnerisch hätte ein Bündnis aus AfD und CSU eine Mehrheit. Auch genießt Söder unter AfD-Wählern großes Ansehen. Etwa 57 Prozent halten ihn für einen guten Ministerpräsidenten. Die Position der CSU im Asylstreit, für die sich Söder starkmachte, findet unter AfD-Wählern sogar mehr Zuspruch als unter CSU-Sympathisanten. Der "braune Schmutz", wie CSU-Generalsekretär Markus Blume die AfD nannte, kommt für Söder als Partner aber nicht infrage. Es ist die einzige Partei, mit der er ein Bündnis klar ausschließt. Seine Distanzierungen von anderen Parteien, etwa von den Grünen oder der FDP, formulierte er immer als allgemein gehaltene Aussagen, die ihm eine Hintertür für Sondierungen offen lassen.

Mit der AfD und der FDP würden zum ersten Mal sechs Parteien im Parlament vertreten sein. Mancher meint sogar, es könnten sieben werden, wenn die Linke, gerade bei vier Prozent, noch zulegt. Nicht nur für die CSU, die sich wohl von ihrem Traum der absoluten Mehrheit verabschieden muss, würde dann ein neues parlamentarisches Zeitalter anbrechen.

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