Flüchtlingspolitik der CSU:Der "Anker" ist zum umkämpften Symbol geworden

Ankerzentren in Bayern gehen in Betrieb

Ein "Anker"-Zentrum zeichnet sich zunächst nur durch ein neues Türschild aus.

(Foto: dpa)

Die neuen Ankerzentren für Asylbewerber in Bayern werden heftig kritisiert. Die CSU hätte es nun in der Hand, ihre Kritiker Lügen zu strafen.

Kommentar von Bernd Kastner

Ein Anker ist ein ebenso schlichtes wie segensreiches Gerät, es gibt einem Schiff und den Menschen auf ihm Halt und Sicherheit. Der CSU ist das Kunststück gelungen, den "Anker" umzudefinieren und daraus einen Ort zu machen, einen Platz, an dem Flüchtlinge die ersten Monate in Deutschland leben müssen. Seither ist der "Anker-Ort" für die einen Himmel, für die anderen Hölle.

"Ankunft, Entscheidung, Rückführung" - dafür steht die Abkürzung Anker, kreiert im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Asylbewerber sollen bis zum Abschluss ihres Verfahrens in solch einem Zentrum bleiben, bis sie wissen, ob sie bleiben dürfen oder zurückmüssen. Bayern ist das erste Bundesland, in dem am 1. August sieben solche Zentren den Betrieb aufgenommen haben; ob neben Sachsen weitere Länder nachziehen, ist fraglich.

Der "Anker" ist zum umkämpften Symbol geworden. Vor allem die CSU-Innenminister Horst Seehofer im Bund und Joachim Herrmann in Bayern versprechen, so die Asylmaschinerie effektiver zu machen. Die Verfahren sollen schneller, Abschiebungen konsequenter organisiert werden, Integration soll besser gelingen. Anker heißt für die CSU: Alles wird gut.

Alles wird noch schlechter, sagen dagegen die Kritiker, von Asylhelfern über Kinderschützer bis zur Opposition. Sie malen ein Bild von knastartigen "Abschiebelagern", in denen die Insassen, abgeschirmt von Helfern, unmenschlich behandelt würden, in denen Frauen und Kinder leicht Opfer von Gewalt würden.

Die Zentren dürfen eine gewisse Größe nicht übersteigen

Himmel oder Hölle? Es hilft, kurz durchzuatmen. Ein "Anker-Zentrum" zeichnet sich zunächst nur durch ein neues Türschild aus. Denn die Großunterkünfte, in denen die Behörden sinnvollerweise beieinandersitzen, gibt es in vielen Städten längst, sie heißen nur anders, Erstaufnahme, Ankunfts- oder Transitzentrum. Jenseits dessen besteht tatsächlich die Gefahr, dass die neu etikettierten Zentren zu Orten der Abschreckung werden, dann nämlich, wenn die von der AfD getriebene CSU ihre bisherige Politik der Gängelung von Asylsuchenden fortsetzt. Umgekehrt aber haben Seehofer und Co. jetzt die Chance, ihre Kritiker Lügen zu strafen.

Es gibt entscheidende Stellschrauben für die "Anker-Zentren". Sie dürfen eine gewisse Größe nicht übersteigen. Bis zu 1500 Menschen will die Bundesregierung dort unterbringen, das sind zu viele, das schürt Konflikte im Camp und mit der Nachbarschaft. Noch wichtiger ist die Dauer des Aufenthalts. Ein paar Wochen in einem Mehrbettzimmer ohne Privatsphäre und mit Zwangskost aus der Großkantine sind zumutbar, nicht aber eineinhalb Jahre.

Mit jedem Monat in einem solchen Zentrum, ohne Arbeit, oft ohne Familie, wächst der Frust und damit die Gefahr, dass kleine Konflikte eskalieren. Frauen und Kinder bedürfen des besonderen Schutzes, etwa in eigenen Gebäuden. Asylhelfern und Sozialarbeitern ist ungehindert Zugang zu den Zentren zu gewähren, um die Bewohner unabhängig zu beraten. Davon profitieren auch die Behörden.

Ein echter Anker ist in stürmischen Zeiten überlebenswichtig. Wir leben in stürmischen Zeiten. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die CSU ihre "Anker" so führt, dass sie zu Orten werden, an denen sich die Menschen gut aufgehoben fühlen. Nur dann kann dieser "Anker" Halt geben. Nur dann wird er zu einem Ort, an dem die Grundlage für Integration geschaffen wird. Viele, die dort einquartiert sind, werden dauerhaft bleiben dürfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: