Kanzlerin Merkel:Neulich im Kaufhaus

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Angela Merkel macht Sommerurlaub - und ist bislang nicht nach Südtirol gefahren. Das hat zu Spekulationen geführt. Dabei ist sie gar nicht so weit weg.

Von Nico Fried, Berlin

Abgetaucht ist anders. Mitten in Berlin war Angela Merkel am Mittwochmittag unterwegs. Auf dem Weg in ein Kaufhaus wurde die Süddeutsche Zeitung ihrer zufällig ansichtig. Die Kanzlerin könnte auf dem Weg zum Einkaufsbummel gewesen sein, natürlich umgeben von ihren Sicherheitsleuten. Merkel ist ja eine Frau, die von den Männern, die sie beim Shoppen begleiten müssen, niemals Sätze zu hören bekommt wie: "Noch 'ne Handtasche? Du hast doch schon drei!"

Merkels Sommerfrische, das war in den vergangenen Jahren ein offenes Geheimnis: erst Bayreuth, dann Südtirol. Offizielle Fotos aus den Alpen gab es allenfalls von Begegnungen mit dem Bergsteiger Reinhold Messner, sonst nur Schnappschüsse - zum Beispiel von der Kanzlerin im Sessellift -, die sogleich Debatten über Authentizität und Volksnähe ihrer Wanderkleidung hervorriefen. Diesmal aber ist sie bislang nicht nach Südtirol gefahren. Mehr weiß man nicht, was nun zu Spekulationen und hie und da auch zu der Frage geführt hat: Darf die das?

Auch im Urlaub allzeit bereit

Als Merkel jüngst nach ihrer Feriengestaltung gefragt wurde, antwortete sie: "Zu meinen Urlaubsplänen sage ich grundsätzlich nichts und deshalb auch nichts in diesem Jahr." Nach der monatelangen Regierungsbildung und dem jüngsten Streit der Unionsparteien räumte sie nur eine gewisse Erschöpfung ein. "Ich will nicht verhehlen, dass ich mich freue, wenn ich jetzt ein paar Tage Urlaub habe und etwas länger schlafen kann."

Nach Artikel 65 Grundgesetz bestimmt die Bundeskanzlerin die Richtlinien der Regierungspolitik und trägt dafür die Verantwortung. Das gilt 24 Stunden am Tag, das ganze Jahr, egal wo, und selbst dann, wenn sie im Urlaub ist und mal der Vizekanzler dem Kabinett vorsitzt - so wie am Mittwoch Olaf Scholz, der mittlerweile sechste Stellvertreter Merkels. Sie selbst hat wiederholt betont, immer im Dienst zu sein: "Ob ich Urlaub habe oder nicht", sagte sie 2017, "ich werde dann, wenn es notwendig ist, für alle notwendigen Aufgaben zur Verfügung stehen."

Dieses strenge Amtsverständnis äußerte sich schon an anderer Stelle: Als im jüngsten Unionskonflikt von Horst Seehofer der Satz zitiert wurde: "Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten", fragte die Kanzlerin ihren Innenminister umgehend am Telefon, wie das zu verstehen sei. Es könne ja jederzeit etwas passieren, das die Zusammenarbeit erforderlich mache. Man darf annehmen, dass Merkel den Maßstab unbedingter Einsatzbereitschaft gleichermaßen an sich selbst anlegt und es auch in diesem Sommer keinen Grund gibt, weshalb sie nicht präsent sein könnte, wenn es nötig würde.

Unterm Strich ist Merkel auch gar nicht so weg, wie es erscheinen mag. Wenige Tage nach Beginn des Urlaubs traf sie den russischen Außenminister und den Generalstabschef. Dann besuchte sie bei den Festspielen in Bayreuth gleich drei Aufführungen hintereinander und am Dienstagabend mit ihrem Mann Joachim Sauer auch noch die Parsifal-Aufführung in der Staatsoper in München, wie der Manager von Bühnenbildner Georg Baselitz samt Fotobeweis twitterte. Ihren ersten bekannten Nachurlaubsauftritt als Kanzlerin plant Merkel derzeit für den 14. August in Jena zum Auftakt ihres Bürgerdialogs zur Zukunft Europas.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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