Apple:Die "Trillion Dollar Company"

Apple-Filiale in Manhatten, New York

Sehnsuchtsort für viele Apfel-Jünger: eine Apple-Filiale in New York City.

(Foto: AFP)
  • Apple veröffentlicht seit Jahren regelmäßig wahnwitzige Umsätze und Gewinne.
  • Experten an der Wall Street bemängeln trotzdem immer wieder, dass die Firma seit dem iPad kein revolutionäres Produkt mehr auf den Markt gebracht habe.
  • Fakt ist jedoch: Während andere hoch bewertete Konzerne aus dem Silicon Valley mehr und mehr Geld verbrennen, macht Apple tatsächliche Gewinne.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hilft, wenn man sich die Verkündung der Quartalszahlen von börsennotierten Unternehmen so vorstellt wie die Olympischen Spiele. Da wird ja auch in regelmäßigen Abständen überprüft, wie weit es der Mensch inzwischen gebracht hat - wie schnell er laufen, wie weit er werfen, wie hoch er springen kann. Es gibt bei diesen Veranstaltungen immer auch Publikumslieblinge und solche, die vom Volk geschmäht werden, doch am Ende, wenn es um die Vergabe der Medaillen geht, da zählen die Zahlen.

Also dann, die nackten Zahlen: Am Donnerstag stieg die Aktie des amerikanischen Technologiekonzerns Apple an der Börse Nasdaq auf den Wert von 207,05 Dollar. Es gibt insgesamt 4 829 926 000 Apple-Aktien, also wurde das Unternehmen kurzzeitig mit 1 000 036 178 300 Dollar bewertet und gilt nun als "Trillion Dollar Company" (im Englischen steht "Trillion" für die deutsche "Billion"). Zwei Tage zuvor hatte das Unternehmen mal wieder Rekordzahlen vermeldet: Der Umsatz war im Vergleich zum Vorjahresquartal um 17 Prozent auf 53,3 Milliarden Dollar gestiegen, der Nettogewinn gar um 32 Prozent auf 11,5 Milliarden Dollar. Für das kommende Vierteljahr sagt Apple einen Umsatz von 60 bis 62 Milliarden Dollar voraus.

Apple veröffentlicht seit Jahren regelmäßig wahnwitzige Umsätze und Gewinne, und doch ist das den Experten an der Wall Street anlässlich der Quartalszahlen der vergangenen Jahre meistens nicht gut genug gewesen. Das Unternehmen ist stets unfassbar hoch gesprungen, sehr häufig gar zu neuen Rekorden, und dennoch waren die Analysten meist eher ernüchtert, bisweilen gar enttäuscht.

Sie suchen andauernd nach Einhörnern im Silicon Valley

Wer sich mit diesen Experten unterhält, der hört oft, dass Apple ja seit dem iPad kein revolutionäres Produkt mehr auf den Markt gebracht habe. Dass Konzernchef Tim Cook dann eben doch kein so charismatisches Genie sei wie Steve Jobs. Dass die Firma viel zu abhängig sei von den Produktionsstätten in China und deshalb auch von den Strafzöllen von US-Präsident Donald Trump schwer getroffen würde. Dass das Unternehmen bei digitalen Disruptionen wie zum Beispiel der Datenwolke Cloud zu spät dran gewesen sei.

Sie suchen ja andauernd nach Einhörnern im Silicon Valley. So werden Unternehmen genannt, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden und genau deshalb so selten sind, dass als Symbol nur ein Fabelwesen taugt. Sie werden gefeiert, diese Konzerne, auch wegen ihrer Chefs, die mindestens so charismatisch daherkommen wie der Sprinter Usain Bolt. Zum Beispiel das soziale Netzwerk Snapchat, dessen Mutterkonzern Snap vor 18 Monaten an die Börse gegangen ist und derzeit mit 17 Milliarden Dollar bewertet wird. Verlust insgesamt seit dem Börsengang laut Vierteljahreszahlen: 3,84 Milliarden Dollar.

Oder der private Fahrdienstvermittler Uber, der seit einer Finanzierungsrunde im Mai mit 62 Milliarden Dollar bewertet wird. Verluste im Jahr 2017: 4,5 Milliarden Dollar. Verluste im ersten Quartal 2018: 601 Millionen Dollar. Oder der Elektroautobauer Tesla, der am Mittwoch einen Vierteljahres-Rekordverlust von 717,5 Millionen Dollar vermeldete. Der Aktienkurs stieg dennoch um mehr als 16 Prozent, weil das Unternehmen zum einen gar nicht mal so düstere Prognosen abgab (es sollen die vorerst letzten Verluste sein) und sich Firmenchef Elon Musk zur Abwechslung mal benahm wie ein, nun ja, Firmenchef. Tesla wird nun mit knapp 60 Milliarden Dollar bewertet.

Viele Einhörner im Silicon Valley schaufeln das Geld in einen Hochofen zum Verbrennen. Apple schaufelt es in die eigenen Geldspeicher - oder investiert es in sich selbst: Der Konzern kaufte in den vergangenen beiden Quartalen insgesamt Anteile im Wert von 43,5 Milliarden Dollar zurück. Das konnte er auch deshalb tun, weil er in Relation zum Umsatz noch immer vergleichsweise niedrig bewertet wird, die sogenannte Price-Earnings-Ratio liegt bei 17,5. Die von Google-Mutter Alphabet: 32,96. Facebook: 26,69. Netflix: 142,05. Amazon: 161,43.

Am Donnerstag ist Apple zur "Trillion Dollar Company" geworden. Alles in Ordnung nun? Nicht so schnell!

"Wird es Apple gelingen, weiterhin innovativ zu sein?"

Die New York Times zum Beispiel beendet ihre Analyse zum Erreichen dieses Trillion-Dollar-Meilensteines mit den Hinweisen, dass der Konzern mal wieder ein revolutionäres Produkt brauche, dass der Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China problematisch für Apple werden dürfte und die Firma bei Entwicklungen wie selbstfahrenden Autos und Datenbrillen vor gewaltigen Hürden stünde. Der Artikel schließt mit der Frage des Experten Tim Bajarin: "Wird es Apple gelingen, weiterhin innovativ zu sein?"

Man möchte diesem und vielen anderen Experten zurufen: Am Ende, da zählen die Zahlen - und die liefert Apple seit Jahren. Allerdings ist Tim Cook dann eben doch kein charismatischer Lautsprecher wie zum Beispiel Usain Bolt, sondern kommt eher daher wie der schüchterne Schwimmer und Rekord-Olympionike Michael Phelps.

Cook will nur ja nicht zu groß, zu mächtig, zu gigantisch wirken, deshalb sagte er anlässlich der fantastischen Quartalszahlen: "Ich weiß, dass es zahlenmäßig anders aussieht - aber ich betrachte Apple noch immer als kleines Unternehmen." Cook hat all die Experten genau da, wo er sie haben möchte.

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