Forum:Bloß kein Alleingang

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Christoph M. Schmidt (l.) ist Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum. Axel Ockenfels ist Professor für Ökonomik an der Universität zu Köln, Direktor des Kölner Laboratoriums für Wirtschaftsforschung und Sprecher des Kölner Zentrums für Soziales und Ökonomisches Verhalten.

(Foto: dpa/oh)

Ein deutscher Ausstieg aus der Kohleverstromung hilft dem Klimaschutz nicht - im Gegenteil, er schadet sogar. Denn der Kampf um eine bessere Umwelt und gegen CO2-Emissionen kann nur auf globaler Ebene geführt werden. Ein Gastbeitrag.

Von Christoph M. Schmidt und Axel Ockenfels

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat beim Petersberger Klimadialog im Juni 2018 offen ausgesprochen, was eigentlich schon seit Längerem klar ist: Deutschland wird seine Klimaschutzziele für das Jahr 2020 verfehlen. Nun soll eine Kommission den Ausstieg aus der deutschen Kohleverstromung vorbereiten und gleichzeitig Wege aufzeigen, wie die sozialen Folgen dieses Ausstiegs abgefedert werden können. Überlegungen anzustellen, wie wirtschaftlich zurückfallende Regionen beim Strukturwandel gezielt unterstützt werden können, ist wichtig. Doch eine sinnvolle Klimapolitik sähe anders aus. Sie würde danach streben, einen einheitlichen Preis für CO₂-Emissionen zu etablieren und die Wahl der konkreten Maßnahmen zur Emissionsreduktion den dezentralen Entscheidungsträgern überlassen.

Klimawandel ist ein globales Problem und kann nur wirksam bekämpft werden, wenn die internationale Klimapolitik an einem Strang zieht. Die Kohleverstromung ist dabei ein wichtiger Faktor: Sie stellt weltweit eine der wichtigsten Quellen von CO₂-Emissionen dar und ist auch für einen großen Teil der deutschen CO₂-Emissionen verantwortlich. Darum ist es richtig, darüber nachzudenken, auf welchen Wegen die Kohle zurückgedrängt werden kann. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass die Wahl des Weges dorthin irrelevant sei und dass ein einseitiger deutscher Kohleausstieg es schon richten würde. Das Gegenteil ist der Fall. Klimapolitik muss sich daran messen lassen, ob es ihr gelingt, auf der globalen Ebene CO₂-Emissionen zu reduzieren. Es ist dabei unerheblich, wo die CO₂-Emissionen eingespart werden. Wenn also ein deutscher Kohleausstieg nur dazu führt, dass andere Länder mehr CO₂ produzieren, etwa weil sie aufgrund des dann größeren Angebots günstig CO₂-Zertifikate im EU-Emissionshandel erwerben können, dann nützt der Ausstieg für das große Ziel, den Klimaschutz, rein gar nichts.

Würde Deutschland, wie oftmals gefordert, die durch den Kohleausstieg frei gewordenen Emissionsberechtigungen aus dem Markt aufkaufen, um diesem Problem zu begegnen, dann würde die deutsche Volkswirtschaft doppelt belastet. Erstens fielen die Kosten für den Kohleausstieg an, zweitens wären die dadurch ausgelösten zusätzlichen Verschmutzungen anderer Länder wieder aufzuräumen. Hinzu kommt, dass ein einseitiger Kohleausstieg den Strompreis in Deutschland ebenso einseitig erhöhen würde. Sollte in der Folge deutsche energieintensive Produktion ins Ausland verlagert werden, würden die ehemals deutschen klimaschädlichen Treibhausgase lediglich woanders emittiert.

Ähnlich verhält es sich bei der Steinkohle, welche dann nicht in Deutschland, son-dern in einem anderen Land verstromt würde. (Bei der deutschen Braunkohle, die nicht auf dem Weltmarkt gehandelt wird, ist das anders.)

Der aktuelle Systemfehler ist, dass die deutschen Klimaziele so formuliert sind, dass jede Verlagerung von CO₂-Emissionen ins Ausland bereits als politischer Erfolg verbucht werden kann.

Es gibt eine überzeugende, marktgerechte Lösung für das Problem: einen international koordinierten CO₂-Preis. Dieser würde effektiv und kosteneffizient CO₂-Emissionen reduzieren, Verlagerungseffekte vermeiden und Wettbewerbsnachteile ausschließen. Obwohl dieses Konzept so überzeugend ist, baut die deutsche Politik hingegen vornehmlich auf innerdeutsche Maßnahmen, die weder marktgerecht sind noch dem Klimaschutz dienen. Die Argumente von Lobby- und Industriegruppen, welche aus der Ineffizienz deutscher Klimapolitik teilweise große Vorteile ziehen, sollten uns nicht überzeugen. Es gibt keinen effektiveren Weg der Treibhausgasreduktion als eine CO₂-Bepreisung. Es gibt auch keinen günstigeren: Jedes anvisierte Ziel zur Reduktion von CO₂-Emissionen kann über einen CO₂-Preis zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden als über verhandelte Maßnahmen. Das gilt auch für den Kohleausstieg.

Ein CO₂-Preis ist darüber hinaus gerecht. Die Ablehnung eines solchen Preises für Emissionen übersetzt sich in die Forderung, die Verursacher von CO₂-Emissionen zu subventionieren. So herum formuliert würden dies vermutlich nur wenige Menschen als gerecht empfinden. Bei einem CO₂-Preis von null wälzen jedoch faktisch die Verursacher von Emissionen die Klimakosten einer zusätzlich emittierten Tonne CO₂ auf die Allgemeinheit ab.

Gäbe es einen einheitlichen Preis für Emissionen, könnte man die Einnahmen daraus gleichmäßig an alle Menschen zurückgeben. Oder man könnte die Steuern auf Arbeitseinkommen entsprechend senken. Es ist besser, etwas Unerwünschtes als etwas Erwünschtes zu besteuern.

Unbestritten ist, dass die internationale Koordination zur Einführung eines globalen CO₂-Preises schwierig wird. Doch die antizipierten Schwierigkeiten können es nicht rechtfertigen, dass die Bundesregierung sich von einer preisgesteuerten Klimapolitik abwendet und stattdessen einen letztlich ineffektiven deutschen Sonderweg beschreitet.

Im Gegenteil: Das internationale Kooperations- und Koordinationsproblem kann drastisch erleichtert werden, wenn sich die nationale und internationale Klimapolitik auf CO₂-Preise fokussieren würde. Die Verständigung auf einen einheitlichen Preis vereinfacht internationale Verhandlungen, erleichtert den internationalen Vergleich klimapolitischer Anstrengungen, kann kontinuierlich und flexibel umgesetzt und leicht an neue Informationen angepasst werden.

Auch im Vergleich zwischen den Ländern ist ein solcher Preis kosteneffizient und gerecht, weil er eine Last proportional zu den verursachten Emissionen erzeugt, und damit auch proportional zu dem jeweiligen Entwicklungsstand eines Landes. Weil CO₂-Preise Kooperation vereinfachen, spricht die oft als Gegenargument vorgebrachte Gefahr von Wettbewerbsnachteilen nicht gegen, sondern für eine Hinwendung zu CO₂-Preisen.

Die unbedingte Voraussetzung für ein internationales Vorgehen ist aber, dass Länder wie Deutschland, die eigentlich den Klimaschutz vorantreiben wollen, eine Koordination und Kooperation aktiv unterstützen. Blaupausen, wie das gelingen kann, wurden in den vergangenen Jahren in Wissenschaft und internationalen Organisationen entwickelt. Darauf müsste die deutsche Politik aufbauen. Ein Kohleausstieg, den Deutschland im Alleingang vorantreibt, ist für diesen Prozess kontraproduktiv.

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