Suchtmittel:Saufen bis zum Umfallen

Komasaufen

2018 stieg im Landkreis Freising die Zahl der alkoholbedingten Klinikaufenthalte von Kindern und Jugendlichen an.

(Foto: dpa)

Das Projekt "Halt" klärt Jugendliche über die Gefahren des Alkohols auf

Von Klaus Schieder

Ein Jugendlicher schüttet auf einer Party so viel Bier und Schnaps in sich hinein, bis er umkippt. Seine Freunde alarmieren den Rettungsdienst, der ihn ins Krankenhaus bringt. Dort bekommt er nicht bloß eine Infusion gelegt, sondern auch die Auskunft von Ärzten, dass er sich nach seinem gefährlichen Rausch die Hilfe von Mitarbeitern des Halt-Projektes ("Hart am Limit") holen kann. Dieses besteht seit mittlerweile zehn Jahren im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. "Es gibt keinen Grund zu sagen, damit machen wir nicht mehr weiter", bilanziert Landrat und Schirmherr Josef Niedermaier (FW). Ganz im Gegenteil: "Es ist nach wie vor enorm wichtig."

Weil die Zahl jugendlicher Komasäufer vor mehr als zehn Jahren in erschreckendem Maße gestiegen war, entstand das Projekt zur Alkoholprävention zunächst auf Bundesebene. Später war der Landkreis einer der ersten, der sich beteiligte. Dabei arbeiten Landratsamt, Caritas und Kreisjugendring zusammen. Das Komasaufen ist inzwischen zwar aus den Schlagzeilen verschwunden, und auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die nach exzessivem Alkoholkonsum stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, hat sich in Bayern von 3671 im Jahr 2012 auf 2637 im Vorjahr verringert. Ein Grund zur Entwarnung ist dies aber nicht.

Eine nicht repräsentative Umfrage der Caritas in Jugendcafés und Jugendhäusern im Landkreis zeige, dass "in allen Altersstufen weiterhin Suchtmittel konsumiert werden, vor allem Nikotin und Alkohol", sagt Johanna Beysel vom Amt für Jugend und Familie des Landkreises. Darunter gebe es "extreme Ausreißer, bei denen der Konsum kritisch ist". Herbert Peters von der Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke und Claudia Köpferl von der Caritas-Jugendsuchtberatung berichten von einer neuen Tendenz: Alkohol und Drogen wie Cannabis werden immer häufiger zusammen konsumiert. Früher habe es zwei Lager gegeben, "die Trinker und die Fixer", sagte Köpferl. "Das ist heute gemischt." Dieser Trend werde sich fortsetzen, meint Peters: "Durch neue Drogen und durch den Bezug über das Internet."

Viele schämen sich

Insgesamt 42 Fälle von Kindern und Jugendlichen, die wegen ihres Rauschs behandelt werden mussten, gab es 2017 in der Tölzer Asklepios-Klinik und in der Kreisklinik Wolfratshausen. Nur in sechs Fällen durften die Pädagogen und Sozialpädagogen des Halt-Projektes ans Krankenbett kommen. Dies teilt Bernadette Sappl vom Gesundheitsamt des Landkreises mit. Die Teilnahme ist freiwillig, deshalb obliegt es Kindern im Alter von 14 Jahren an oder ihren Eltern, die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Die eher geringe Bereitschaft dazu erklärt Peters mit der Scham der Beteiligten, außerdem hätten viele Eltern beim ersten Mal den Wunsch, den Ausrutscher alleine zu Hause zu regeln. Wie Kerstin Barth vom Kreisjugendring sagt, seit "Halt" kein reines Abstinenz-Programm. Es gehe vielmehr um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol.

Neben der reaktiven Arbeit - den Gesprächen mit Jugendlichen und ihren Eltern - gibt es auch einen proaktiven Teil im Halt-Projekt. Dazu gehören Broschüren für Eltern und Festveranstalter, Schulungen im Einzelhandel oder der "Wettbewerb vorbildhafter Verein". Im nächsten Schuljahr wird der Workshop "Tom & Lisa" für siebte und achte Klassen angeboten. Dabei wird eine Geburtstagsparty simuliert, die vorbereitet werden muss. Die Heranwachsenden sollen unter anderem den Umgang mit Notsituationen, Mythen vom Alkoholkonsum, Risikokompetenz und auch das Hineinversetzen in die Sicht ihrer Eltern lernen

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