Tiere:Der Raubfisch, der die Münchner Isar liebt

Tiere: Unten am Fluss: Frank Meißner fängt im Sommer natürlich keine Huchen, denn der stattliche Räuber ist ein "Winterfisch", wie der Isarfischer sagt. Trotzdem steigt Meißner auch im Sommer schon mal in voller Montur in die Isar, wie hier beim Maxspitz nördlich der Maximiliansbrücke.

Unten am Fluss: Frank Meißner fängt im Sommer natürlich keine Huchen, denn der stattliche Räuber ist ein "Winterfisch", wie der Isarfischer sagt. Trotzdem steigt Meißner auch im Sommer schon mal in voller Montur in die Isar, wie hier beim Maxspitz nördlich der Maximiliansbrücke.

(Foto: Robert Haas)

Bis zu eineinhalb Meter lang kann der Huchen werden. Einfach zu finden ist der "König unter den bayerischen Flussfischen" allerdings nicht.

Von Thomas Anlauf

Er ist ein wenig scheu und schreckhaft. Wenn er denn mal durch München streift, dann meist erst in der Abenddämmerung. Deshalb begegnet man ihm nur relativ selten, auch wenn er eine stattliche Erscheinung ist. An der Prinzregentenbrücke sieht man ihn manchmal als langen Schatten, früher entdeckte man ihn auch öfters an der Brudermühlbrücke, aber das scheint nun nicht mehr sein Revier zu sein. In diesem Frühjahr wagte er sich sogar mitten ins Menschengetümmel am Flaucher, um dort zu laichen: der Huchen, Münchens riesiger Räuber.

Er gilt als König unter den bayerischen Flussfischen. Bis zu 150 Zentimeter lang und über 30 Kilogramm schwer wird der Huchen, der auch Donaulachs genannt wird. Sein einziger natürlicher Lebensraum in Deutschland ist ausschließlich das Einzugsgebiet der Donau, also auch die Isar. Und München mit seinen gut 1,5 Millionen Einwohnern kann sich rühmen, "die einzige Großstadt der Welt zu sein", in der sich der Raubfisch auf natürliche Weise vermehrt, sagt Frank Meißner. Er ist im Vorstand des Vereins Isarfischer und kennt die Stellen, wo der Huchen im Fluss steht. In diesem April war es ein ganz besonderes Spektakel: Acht Huchenpärchen zählten die Isarfischer mitten in der Stadt, die Naturschützer legten Sperrzonen rund um die Laichplätze am Flaucher an.

Der rasch fließende Fluss mit seinem sauberen Kiesbett scheint ideal zu sein für die Huchenweibchen. Mitte April schwammen sie in das Naherholungsgelände und schaufelten mit den kräftigen Flossen tagelang Laichgruben frei. Dabei wird bis zu eine Tonne Gestein bewegt. Die Kiesel müssen eine bestimmte Größe haben, damit der Laich zwischen den Steinchen Schutz findet. "Das Weibchen spürt mit dem Unterbauch die Kieselgröße", sagt Meißner, der beeindruckt von dem "markanten großen Fisch" mitten in München ist. Am Flaucher also scheinen Kieselgröße, Fließgeschwindigkeit und Sauberkeit des Wassers zu passen, sonst hätten sich wohl nicht so ungewöhnlich viele Huchen den Flussabschnitt als Kinderzimmer ausgesucht. Bis zu 30 000 Eier legt ein Huchenweibchen in so eine Laichgrube ab, die dann vom Männchen besamt werden. Überleben werden allerdings nur die allerwenigsten.

Dabei können die Tiere, die als Einzelgänger leben, mehr als 20 Jahre alt werden. Doch solange sie noch klein sind, fallen sie meist Vögeln oder anderen Fischen zum Opfer. Bei einer behördlichen Untersuchung wurden kürzlich 60 Junghuchen bei der Marienklause gezählt, sie stammen vermutlich aus Laichgruben bei der Großhesseloher Brücke, denn nach der Geburt treiben die Fischlein erst einmal ab. Auffällig ist allerdings, dass im Stadtgebiet so gut wie keine Huchen gefunden werden, die nun etwa ein Jahr alt sind. Sie sind offenbar gefressen worden. Hier versuchen die Isarfischer, die Population zu unterstützen. Jährlich setzen sie 40 Huchen zwischen 50 und 60 Zentimetern Größe ein, die sind dann groß genug, um nicht zwangsläufig als leichte Beute für andere Tiere zu dienen.

Einfach zu finden sind die Raubfische außerhalb der Laichzeit im April ohnehin nicht. Zwar kennen die Fischer derzeit ein Dutzend Laichgruben, doch nach der Eiablage verteilen sich die Huchen auf die etwa zwölf Flusskilometer in München. Sie haben eigene Schlafplätze, meist in Gumpen, unter Überhängen und dort, wo Totholz im Wasser liegt. Ihre Jagdreviere, die nicht an ihrem Versteck sind, verteidigen die Raubfische durchaus gegen Konkurrenten. Und wenn ein Huchen mal eine Barbe erwischt, die er meist von hinten angreift oder ihr in den Kopf beißt, ist er erst einmal richtig satt. Bis er die 30 bis 50 Zentimeter große Barbe verdaut hat und wieder auf Jagd gehen muss, verbirgt er sich schon mal ein bis zwei Wochen in seinem Versteck.

Und da finden ihn auch Angler nicht so schnell. Frank Meißner etwa hat acht Jahre lang jeden Winter in der eiskalten Isar gestanden, um seinen ersten Huchen an der Angel zu haben. Im Sommer, wenn es für die großen Fische genügend Nahrung gibt, beißen die Donaulachse ohnehin nur selten an. Die Jagd auf den größten lachsartigen Süßwasserfisch, der 2015 in Deutschland zum Fisch des Jahres gekürt wurde, glückt meist nur im Herbst und Winter, von Mitte Februar bis Ende Mai hat der in seinem Bestand stark gefährdete Huchen Schonzeit. Auch sonst ist das Angeln nach dem Münchner Großfisch streng reglementiert. Jeder Fischer darf maximal einen Huchen pro Jahr angeln und muss seinen Fang auch offiziell melden.

Hucho hucho

Der Huchen (lat. Hucho hucho) gehört zu den Lachsfischen, den Salmoniden. Er lebt ausschließlich im Süßwasser und dort in größeren, schnell fließenden Gewässern wie dem Oberlauf der Isar bis München. Er hat einen auffällig lang gestreckten Kopf, das Maul reicht bis hinter die Augen. Die Fische, die bis zu 150 Zentimeter lang werden können, haben einen dunkelbraunen oder dunkelgrauen Rücken mit kleinen dunklen Flecken, die allerdings nicht bis an die Flossen reichen. Die Huchen sind von der Weltnaturschutzunion als stark gefährdet eingestuft. Vor allem die vielen Bauwerke in den Flüssen, die die Laichwanderungen verhindern und den kiesigen Laichgrund verschlammen, bedrohen die Art. Dennoch findet sich der Huchen gelegentlich auch auf Speisekarten von edleren Münchner Restaurants. anl

Im 19. Jahrhundert stand der Huchen noch häufig auf der Speisekarte in Bayern. Doch in den Flüssen sind insgesamt deutlich weniger Fische als früher zu finden. Bachforellen etwa sterben jeden Spätsommer in München aus, woran das liegt, weiß bislang niemand. Sie müssen mühsam nachgezüchtet und wieder in den Fluss gesetzt werden. Doch der Münchner Huchen hat bislang überlebt. Vielleicht, weil er ein wenig scheu ist und den Münchnern aus dem Weg geht.

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