Planungen der TU:Fragen und Antworten zum Garchinger Castor-Transport

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Für den Abtransport aus dem Garchinger Reaktor wird eigens ein neuer Castorbehälter entwickelt. Das Bild zeigt eine Verladung vom Zug auf Lastwagen im niedersächsischen Dannenberg aus dem Jahr 2010. (Foto: Miguel Villagran/Getty)

Ein eigens entwickelter Behälter und Kosten in Millionenhöhe: Voraussichtlich 2019 werden alte Brennstäbe des Forschungsreaktors ins Münsterland gebracht.

Von Maximilian Gerl

Es dürfte ein Großtransport werden, begleitet von Protesten und Polizei: Im kommenden Jahr rollt wahrscheinlich ein Castortransport durch Garching. Der Forschungsreaktor FRM II, den die Technische Universität (TU) München betreibt, hat bald keinen Platz mehr für alte Brennstäbe. Bis zu 50 Stück können im Abklingbecken lagern, 44 sind es schon - und drei bis vier verbraucht der Reaktor pro Jahr. Der Atommüll muss also bald abtransportiert werden. Wie und wann genau, das ist allerdings noch unklar.

Was passiert mit den Brennstäben?

Sie sollen ins Zwischenlager Ahaus im Münsterland gebracht werden, dies ist im Betreibervertrag so vorgesehen. In Ahaus lagern nach Angaben des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BFE) derzeit 329 Castorbehälter. Ahaus ist eigentlich ein Zwischenlager, ein Endlager für Atommüll gibt es nicht. Die Bundesregierung teilt mit, eine Abreicherung - eine Art Entschärfung - der Garchinger Brennstäbe vor der Zwischenlagerung in Ahaus sei nicht geplant. Anders als in den meisten Kernkraftwerken ist das Uran in den Brennstäben für den FRM II hoch angereichert; der Reaktor dient als Neutronenquelle für die Forschung und Medizin.

Atommüll
:Erster Castor-Transport mit Brennelementen aus Garching

Die abgebrannten Elemente sollen 2019 vom Forschungsreaktor FRM II in das Zwischenlager Ahaus nach NRW gebracht werden. Schon jetzt gibt es Kritik.

Wie werden die Brennstäbe transportiert?

Für den Transport lässt die TU einen neuen Castorbehälter namens MTR 3 entwickeln. Er soll Platz für bis zu fünf Brennstäbe bieten. Die Elemente haben die Form eines Hohlzylinders, sind jeweils rund 1,3 Meter lang und 24 Zentimeter dick. Der Behälter muss verschiedenen Belastungen standhalten, darunter der Sturz aus einem Meter Höhe auf einen Stahldorn. Diese Tests hat der neue Castorbehälter bereits bestanden; die TU hofft, dass bis Ende des Jahres eine verkehrsrechtliche Genehmigung für ihn durch das BFE vorliegt. An der Entwicklung sind auch die Betreiber der Forschungsreaktoren in Berlin (BER II, Helmholtz Zentrum) und Mainz (TRIGA Mark II, Johannes-Gutenberg-Universität) beteiligt. Weil alle diese Reaktoren andere Brennstäbe verwenden, muss das Innere des Castorbehälters jeweils individuell angepasst werden.

Wie läuft der Transport ab?

Das weiß noch niemand so genau. Erst wenn die verkehrsrechtliche Genehmigung vorliegt, kann beim BFE eine Genehmigung für die Aufbewahrung in Ahaus sowie für den Transport dorthin beantragt werden. Details dürften ohnehin bis zuletzt geheim bleiben: Um die Transporte gegen Überfälle zu sichern, laufen viele Informationen grundsätzlich als Verschlusssache. Sicher ist, dass die Brennelemente mit speziell gepanzerten Lastern abtransportiert werden müssen. Theoretisch wäre es aber denkbar, dass die Behälter noch im Münchner Umland auf die Schiene umgeladen werden. Wahrscheinlich wird es eine Art Generalprobe und nicht nur einen, sondern mehrere Transporte geben. Der erste könnte in der zweiten Hälfte 2019 starten.

Wie groß ist die Gefahr?

Das BFE stellt an Castorbehälter hohe Anforderungen: Sie müssen dicht sein, Strahlung abschirmen, Wärme ableiten und so gebaut sein, dass eine nukleare Kettenreaktion unterbunden wird. Eine TU-Sprecherin betont, von den Transporten gehe keine Gefahr für die Bevölkerung aus. Tatsächlich ist das Beladen von Castorbehältern eher unproblematisch, das erfolgt im Abklingbecken, wo die Brennstäbe ohnehin lagern. Problematischer ist die Lagerung in Ahaus. Der Münsteraner Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (Linke) kritisiert, dass ein Endlager wohl erst nach dem Jahr 2050 bereitstehe: "Atommüll einfach wie auf einem Rangierbahnhof hin und her zu karren, setzt die Bevölkerung großen Risiken aus."

Der Verein "Bürger gegen Atomreaktor Garching" forderte bereits im März in einem offenen Brief an die Bundesumweltministerin Svenja Schulze, angesichts der bevorstehenden Transporte aus Garching für eine Lagerung zu sorgen, die "der besonderen Gefährlichkeit des Materials wirklich Rechnung trägt". Das Material sei "mit einer Anreicherung von 87,5 Prozent noch immer waffenfähig". Von Experten, die mit dem FRM II befasst sind, ist dagegen zu hören, dass das Uran nicht waffentauglich sei: Wegen der Legierung der Brennstäbe sei eine spezielle Aufbereitungsanlage nötig, um das Uran überhaupt aus ihnen zu extrahieren.

Was kostet das Ganze? Und gibt es vergleichbare Fälle?

Der Vorgänger des FRM II, das sogenannte Atom-Ei, war von 1957 bis 2000 in Betrieb. Anschließend rollte ein Castortransport durch Garching, die Brennstäbe wurden damals aufgrund eines Rücknahmevertrags in die USA und nach Großbritannien verschifft. Seitdem sind die Auflagen allerdings strenger geworden. Wie viel der bevorstehende Castortransport kostet, lässt sich vermutlich erst hinterher sagen, wenn die Entwicklung des Behälters abgeschlossen und alle Auflagen erfüllt sind - etwa beim Polizeischutz. Als 1997 Castorbehälter nach Gorleben gefahren wurden, kostete das etwa 56 Millionen Euro, rund 30 000 Polizisten waren im Einsatz. Zuletzt fanden 2017 Castortransporte in Baden-Württemberg statt, die Fahrten vom stillgelegten Kraftwerk Obrigheim nach Neckarwestheim sollen Kosten im niedrigen zweistelligen Millionenbereich verursacht haben. Für die Entwicklung des Behälters und den Transport will die TU aufkommen, also letztlich der Freistaat.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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