Kommentar:Hollywood braucht neue Oscars

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David Steinitz ist Filmredakteur, seine Oscartipps sind dennoch ständig falsch. (Foto: N/A)

Vom kommenden Jahr an gibt es einen Oscar für den "Besten populären Film". Die Filmakademie nimmt auf die Blockbuster-Studios Rücksicht. Es gäbe andere Möglichkeiten, den Preis aufzuwerten.

Von David Steinitz

Die amerikanische Filmakademie, deren Hauptaufgabe das jährliche Ausrichten der Oscarverleihung ist, hat in dieser Woche heftige Diskussionen in Hollywood ausgelöst. Die Verantwortlichen wollen die Preisverleihung überarbeiten, um sie fit für die Zukunft zu machen. Neben einer formalen Straffung der Zeremonie, die sich in den vergangenen Jahren immer sehr gezogen hat, steht im Mittelpunkt der Reformpläne eine neue Preiskategorie. Von 2019 an soll es auch einen Oscar für den "Besten populären Film" geben - also eine Auszeichnung, die dezidiert fürs Mainstreamkino gedacht ist.

Denn die Akademie befürchtet, dass sich die Oscars immer weiter vom tatsächlichen Zuschauerinteresse entfernen. Ein Beispiel: Der jüngste Gewinner in der Kategorie "Bester Film", das Fantasy-Märchen "The Shape of Water", stand zum Jahresabschluss in den US-Kinocharts nur auf Platz 46. Im Jahr zuvor war die Diskrepanz zwischen der Auszeichnung des besten Films und dessen Beliebtheit nach Zuschauerzahlen und Einnahmen noch krasser. Das Drama "Moonlight" erreichte lediglich Platz 92 der erfolgreichsten US-Filme des Jahres.

Warum nicht ein Oscar für die besten Stunts und den besten Filmtrailer?

Die neue Kategorie fürs Populärkino soll bewirken, dass auch die Blockbuster wieder oscarwürdig werden, welche die Kinocharts dominieren - also große Studioproduktionen wie "Black Panther" und "Star Wars". Doch eine zusätzliche Kategorie für einen besten Film wird die bereits bestehende Kategorie "Bester Film" nur abwerten. Zumal die Entscheidung für diese Neuerung vermutlich allein aus dem opportunistischen Grund heraus entstanden ist, dass die Akademie Angst hat, es sich mit den großen und mächtigen Blockbuster-Studios wie Disney zu verscherzen.

Trotzdem ist die Idee neuer Preiskategorien an sich gut und richtig. Viel zu lange schon haben die Oscar-Macher verkannt, wie sich die Filmindustrie in den vergangenen Jahren verändert hat, und dass diesen Veränderungen mit neuen Auszeichnungen Rechnung zu tragen wäre. Schon lange kursiert zum Beispiel der Vorschlag eines Oscars fürs Casting, also für die beste Besetzung eines Films. Casting-Agenten müssen gemeinsam mit dem Filmteam die ideale Besetzungsliste zusammenstellen, damit auf der Leinwand die Chemie zwischen den einzelnen Darstellern und Rollen stimmt. Das bedeutet zum Beispiel, die richtige Balance zwischen Stars und Newcomern zu wahren. Dieser Job ist keine geringere künstlerische Leistung als andere Filmberufe. Der Vorteil eines solchen Preises wäre zudem, dass davon kleine Independent-Produktionen genauso profitieren wie große Blockbuster. Ein anständiges Casting braucht schließlich jeder Film.

Und wenn die Akademie schon unbedingt die Leistungen großer Hollywoodsuperheldenfilme würdigen will, warum nicht ganz konkret durch das Auszeichnen jener Berufszweige, die diese Filme herstellen? Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Oscar für die besten Stunts. Die sogenannte Stunt-Koordination, also die Leitung aller stuntverwandten Auftritte am Set von der Schlägerei bis zur Verfolgungsjagd, wäre ebenfalls eine auszeichnungswürdige Leistung im actionlastigen Hollywood von heute. Genauso übrigens wie ein Preis für die beste Stimme, da auch in Realfilmen immer mehr Figuren im Computer generiert und erst anschließend von Schauspielern im Tonstudio eingesprochen werden.

Und warum nicht auch ein Oscar für den besten Filmtrailer? Die kurzen Clips sind in den vergangenen Jahren nicht nur immer beliebter geworden, sondern stehen längst auch als kleine Kurzfilm-Kunstwerke für sich selbst. All das wären Möglichkeiten, die Oscars wirklich fit für die Zukunft zu machen.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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