Pädiatrie:Was die Kinderhand verrät

'Düsseldorfer Tabelle'

Ist die Kinderhand stets schlaff oder kräftig? Die Antwort kann einige Erkenntnisse bergen.

(Foto: dpa)
  • Mediziner schlagen vor, den Händedruck als Indikator für den Gesundheitszustand von Heranwachsenden zu nutzen.
  • Kinder, die nicht kraftvoll zugreifen, haben häufiger Probleme mit ihrer Gesundheit und ihrem Leistungsvermögen.

Von Werner Bartens

Die Begrüßung mancher Zeitgenossen fühlt sich so an, als bekomme man einen toten Nacktmull überreicht - dermaßen schlaff und schlapp halten sie die Hand hin. Nun mag ein schwacher Muskeltonus charakterliche Gründe haben und für die Zurückhaltung des Gegenübers sprechen, der - wenn er nur wollte - rohe Kartoffeln in der bloßen Faust zerdrücken könnte wie Raimund Harmstorf seinerzeit (auch wenn dessen Kartoffel im Film "Der Seewolf" vorgekocht war). Der Griff kann aber auch aus gesundheitlichen Gründen so dezent ausfallen und schon in jungen Jahren einen Hinweis darauf geben, mehr für die Fitness und gegen drohende Gebrechen zu tun.

Kinderärzte und Sportmediziner aus den USA belegen im Fachmagazin Journal of Pediatrics, dass bereits bei Viert- und Fünftklässlern deutliche Unterschiede in der Griffstärke zu beobachten sind und diese erstaunlich viel über den Allgemeinzustand und die Gesundheit verraten. Das Team um Mark Peterson von der University of Michigan hatte bei fast 500 Kindern zunächst die Griffstärke untersucht sowie detailliert weitere Fitnessdaten und Gesundheitswerte erhoben.

Nach zwei Jahren zeigte sich, dass bei jenen 28 Prozent der Jungen und 20 Prozent der Mädchen, die einen besonders schwachen Händedruck aufwiesen, der Gesundheitszustand häufig schlechter war als bei den anderen. Sie schafften es zudem oftmals nicht, ihre Gesundheit zu verbessern oder ihr körperliches Leistungsvermögen zu steigern.

"Unsere Untersuchung liefert mehrere Schnappschüsse, wie die Griffkraft mit der späteren Wahrscheinlichkeit für Diabetes und Herzkreislaufleiden zusammenhängt", sagt Paul Gordon von der Baylor University in Waco, der an der Studie beteiligt war. "Geringe Griffstärke könnte ein guter Indikator dafür sein, welche Jugendlichen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Stoffwechselprobleme haben - und ihren Lebensstil daher ändern sollten."

Die Griffstärke ist aber nicht nur Ausweis purer Kraft. "Frühkindliche Gehirnentwicklung und Handmotorik sind eng verknüpft", sagt Florian Heinen vom Haunerschen Kinderspital der Uni München. "Insofern ist es so clever wie simpel, die Leistung der Hand als Maß für die Gesamtfunktion des Organismus heranzuziehen." Ob Pianist, Tischtennisspieler oder Gewichtheber - geschickte wie auch kraftvolle Bewegungen zeigen, dass körperlich alles gut klappt und koordiniert ist, so Heinen.

"Es gibt wohl kaum ein so menschliches Organ wie die Hand", ist der Experte für kindliche Entwicklung und Motorik überzeugt. Im übrigen Tierreich gibt es den Pinzettengriff nicht - naheliegend, dass die Erschaffung Adams von Michelangelo als Fingerzeig von Gott zu Mensch gemalt wurde.

Wer bereits kräftig zupackt, hat von einer weiteren Steigerung der Kraft hingegen kaum Vorteile. "Die Gesundheit verbessert sich bei den Starken nicht mehr viel", sagt Gordon. "Geringe Kraft ist es, die riskant ist." Kein Grund also, die Hand des Gegenübers in einen unerbittlichen Schraubstockgriff zu nehmen, bis die Knöchel knacken - oder gar Ringe blutige Spuren hinterlassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: