Alexander Megos:"Das Klettern ist jetzt in dieses Format gepresst worden"

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Sportkletterer Alexander Megos fühlt sich wohl am Fels. (Foto: PR)

Alexander Megos ist einer der stärksten Sportkletterer der Welt. Ob er bei Olympia teilnehmen will, lässt er noch offen - die neue Form hat für ihn nichts mit seinem Sport zu tun.

Interview von Nadine Regel

Der 25-jährige Erlanger Alexander Megos ist dafür bekannt, die schwersten Felskletterrouten der Welt extrem schnell zu wiederholen. Obwohl der Ausnahmekletterer lange Zeit bei Wettkämpfen ausgesetzt hat, erzielte er dieses Jahr schon einen ersten und dritten Platz beim Lead Worldcup. Am Freitag und Samstag startet er in München beim Boulder Worldcup. Alexander Megos ist Mitglied im DAV-Perspektivkader für Olympia.

SZ: Das neue Olympia-Format, also alle drei Disziplinen - Bouldern, Lead und Speed - zu einem Dreikampf zu kombinieren, ist auf viel Kritik gestoßen. Wie stehen Sie zu Olympia, möchten Sie teilnehmen?

Alexander Megos: Die Wenigsten würden auf diese Frage mit Nein antworten. Natürlich wäre es super cool, bei Olympia zu starten. Aber ich habe erst seit diesem Jahr wieder richtig mit Wettkämpfen angefangen. Ob ich damit weitermachen möchte, weiß ich noch nicht. Da bin ich noch in der Findungsphase.

Was hält Sie noch zurück, sich vollends für Olympia zu entscheiden?

Es würde für mich eine große Umstellung bedeuten. Mein Fokus ist Felsklettern. Speed und Bouldern habe ich überhaupt nicht trainiert. Speed müsste ich als Disziplin komplett neu lernen. Ob ich den kompletten Wechsel von Fels zu Wettkampf vollziehen will, weiß ich noch nicht. Das würde bedeuten, dass ich für zwei Jahre mein komplettes Kletterleben neu ausrichten müsste. Vor einem Jahr hätte ich noch deutlich gesagt, dass Olympia nichts für mich ist.

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Nur sehr wenige Kletterer auf der Welt können überhaupt in einem so hohen Schwierigkeitsgrad klettern. Adam Ondra hat kürzlich die Schwierigkeitsskala nach oben verschoben. Seine 9c ("Silence") gilt als die schwierigste Route am Fels. Die von Ihnen erstbegangene 9b+ ("Perfecto Mundo") ist davon nicht weit entfernt. Damit gehören Sie zur Weltspitze im Felsklettern.

Ich habe nie das Gefühl, dass ich stark genug bin. Das ist ja der Anreiz, weiter zu trainieren. Und ich denke, ich werde auch nie zufrieden sein mit meiner Leistung. Ich versuche, stetig besser zu werden.

Sie haben sich das Privileg erarbeitet, von Ihrem Sport leben zu können. Wie sind Sie denn überhaupt Profikletterer geworden?

Erst nach dem Abi habe ich begonnen, jeden Tag zu trainieren. Ich war ein Jahr lang in der Welt unterwegs und bin viel draußen geklettert. Meinen Durchbruch hatte ich in einem Klettergebiet in Katalonien. Dort habe ich als erster Mensch der Welt eine Route, "Estado Critico", im Schwierigkeitsgrad 9a onsight geklettert, das heißt, ich bin sie geklettert, ohne vorher Informationen über die Route gehabt zu haben.

Wie unterscheidet sich Wettkampfklettern von anderen Sportarten?

Fitness ist sicher nicht alles. Beim Wettkampf kommen noch viele andere Faktoren hinzu. Da muss man einen guten Tag erwischen, man darf keine Fehler machen, man muss alles aus sich rausholen können. Es wäre vermessen zu glauben, dass man jeden Wettkampf gewinnen kann. Wenn man 100 Meter Brust schwimmt, weiß man ganz genau, was auf einen zukommt. Beim Klettern hat man eine Route, die man vorgesetzt bekommt. Sowohl beim Bouldern als auch beim Leadklettern. Viel hängt davon ab, wer die Route geschraubt hat. Für jeden Wettkampf gibt es unterschiedliche Routenschrauber. Es kann immer passieren, dass einem eine Route nicht liegt.

Macht es das Klettern als Wettbewerb auch für Olympia besonders spannend?

Ich denke schon, weil man nicht genau sagen kann, wer gewinnt. Lediglich beim Speedklettern hat man ähnliche Bedingungen wie beim Schwimmen, weil die Wand, die man im Eiltempo hochklettert, genormt ist. Beim Lead und Bouldern ist es anders, die Routen unterscheiden sich.

Sie werden beim DAV als einer der Favoriten gehandelt.

Ja, wenn ich mich in den nächsten Monaten noch mehr auf den Wettkampf konzentriere, bin ich das sicher auch. Der DAV hätte mich natürlich gerne dabei. Aber ich lasse mich nicht unter Druck setzen.

Was fasziniert Sie so am Felsklettern?

Für mich ist Felsklettern das wirkliche Klettern, weil Klettern nicht nur eine Sportart ist, sondern eine ganze Lebenseinstellung. Das ist vergleichbar damit, was die Leute übers Surfen sagen. Wenn ich sage, dass ich Kletterer bin, dann meine ich eben nicht nur, dass ich in die Halle oder an den Fels gehe und trainiere. Für andere Leute, die mehr im Wettkampf unterwegs sind, ist es vielleicht anders.

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Die aktuelle Wettkampfsaison läuft sehr gut für Sie. Beim Lead Worldcup in Chamonix haben Sie den dritten Platz belegt, in Briançon sogar den ersten Platz. Welche Erwartungen haben Sie an den Boulder Worldcup in München?

Nach München muss ich zumindest nicht so weit fahren, wie zu anderen Wettkämpfen (lacht). Klar, und man hat vielleicht einen Heimvorteil. Wirkliche Vergleichswerte habe ich halt nicht, weil ich bisher nur an zwei Boulder Worldcups teilgenommen habe. Einer davon letztes Jahr in München, bei dem ich den zweiten Platz belegte. Der Unterschied zwischen Bouldern am Fels und dem Indoorbouldern als Wettkampf ist einfach massiv. Das ist ein ganz anderer Style. Sicher bin ich einigermaßen lernfähig. Aber diesen ganzen Style habe ich die letzten Jahren halt nie gemacht.

Wird Olympia das Klettern verändern?

Das wird sich zeigen, wenn wir die ersten Spiele hinter uns haben. Erst dann haben wir überhaupt erst Gewissheit, ob es bei den Olympischen Spielen bleibt oder nicht. Ich denke, dass Felskletterer wie ich, Adam Ondra oder der Slowene Domen Škofic die letzten richtigen Kletterer sind, die an einem Weltcup teilnehmen. Und dass die Generation danach mit dem ursprünglichen Klettern, also dem Felsklettern, einfach nichts mehr zu tun hat. Das Klettern ist jetzt in dieses Format gepresst worden, und so wird es der ganzen Welt bei Olympia präsentiert. Es kommt mir so vor, als wäre dieses ganze Olympia-Format eine Verzerrung der Wirklichkeit.

Und wie sieht Ihre Wirklichkeit aus?

Für mich hat das Felsklettern nichts mit Wettkampf zu tun. Klettern war ursprünglich die Konfrontation Mensch und Fels. Man ist nicht gegen jemand anderes geklettert. Man ist gegen sich selbst geklettert. Man sucht sich sein eigenes Limit und versucht, die Grenzen zu pushen.

Haben Sie auch mal eine Pause vom Klettern?

Jede Nacht.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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