Apartheid in Südafrika:Schwarz und erfolgreich? Unmöglich.

GW1641, South Africa, Cape Town, 2003: Professor Bongani Mayosi , from the UCT Cardiac Clinic outside Groote Schuur Hospital in Cape Town.  medicine doctor edge

Professor Bongani Mayosi 2003 vor dem Groote Schuur Hospital in Kapstadt - international bekam er Anerkennung für die Entdeckung eines Gens, das bei jugendlichen Herzinfarkte auslöst. In Südafrika aber wurde er beschimpft.

(Foto: ullstein bild - Africa Media Online)

Wer denkt, die Zeiten der Apartheid in Südafrika seien vorbei, täuscht sich. Erfolgreiche Schwarze werden immer noch von Rassismus zerrieben, so wie Bongani Mayosi.

Von Bernd Dörries

Bongani Mayosi wurde im Jahr 1967 geboren, jenem Jahr, in dem in Südafrika das erste Mal ein Herz transplantiert wurde. Ein weißer Arzt setzte einem Weißen das Herz einer anderen Weißen ein. Schwarze waren in dieser Welt der Medizin nicht vorgesehen. Ein halbes Jahrhundert später war Bongani Mayosi selbst ein weltberühmter Mediziner, der am selben Krankenhaus arbeitete, am Groote Schuur in Kapstadt, an dem damals die erste Herztransplantation gelungen war.

Bongani Mayosi schrieb Hunderte Artikel in Fachzeitschriften, warb viele Millionen Euro an Forschungsgeldern ein und wurde der erste schwarze Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Kapstadt. Er war der berühmteste Mediziner Südafrikas, seine Biografie las sich wie der Beleg, wie sehr sich das Land nach dem Ende der Apartheid verändert hat.

Vor zwei Wochen nahm sich Professor Mayosi das Leben. Seitdem diskutiert Südafrika darüber, wie es zu seinem Tod kommen konnte, ob Schwarze in diesem Land überhaupt erfolgreich sein können und vor allem dürfen. Das Land spricht über die alten Geister, die immer noch da sind, den Hass und den Rassismus der Apartheid - und das, was darauf folgte. Als Mayosi, der nur 51 Jahre alt wurde, vor einigen Tagen beerdigt wurde, sagte die Vizekanzlerin Mamokgethi Phakeng: "Wir haben uns gefragt, ob er schon früher an Depressionen erkrankt war, und seine Familie sagte uns, nicht bis zum Jahr 2016, nicht bis er zum ersten Mal eine ,Kokosnuss' genannt wurde."

Wer erfolgreich sein will, zahlt einen hohen Preis

"Kokosnuss" ist so ziemlich das Schlimmste, was man zu einem Schwarzen in Südafrika sagen kann: Man beschuldigt ihn damit, nur außen schwarz zu sein, innen aber weiß, ein Überläufer und Verräter also.

Bongani Mayosi war gerade zwei Wochen in seinem neuen Amt als Dekan, als eine Gruppe aus überwiegend schwarzen Studenten sein Büro besetzte und ihn als "Kokosnuss" beschimpfte. Es war der Höhepunkt der Proteste für ein gebührenfreies und dekolonialisiertes Studium. Sie begannen kreativ und endeten in roher Gewalt. Mayosi war durchaus auf der Seite der Studenten, er demonstrierte mit ihnen, er marschierte mit ihnen zum Parlament. Er warb aber auch um Mäßigung, war nicht damit einverstanden, wenn Bilder verbrannt wurden oder Menschen zu Schaden kamen. Das machte ihn in den Augen vieler Schwarzer zum Verräter.

"Die vergiftete Atmosphäre und ihre Mach-mit-oder-stirb-Haltung haben seine Seele verwüstet. Ihre persönlichen Beleidigungen und Beschimpfungen haben ihn aufs Tiefste erschüttert, widersprechen seinen Werten und waren das Gegenteil dessen, wofür er stand", sagt seine Witwe. Der Tod von Doktor Mayosi zeigte dem Land, wie hoch der Preis ist für Schwarze, wenn sie erfolgreich sind. In den südafrikanischen Zeitungen meldeten sich viele, die aus ihrem Innersten berichteten, von den Depressionen, die sie plagen und dem Tabu, darüber zu sprechen.

Für sehr viele Weiße ist ein erfolgreicher Schwarzer oft einfach nur korrupt, hat von zugeschanzten Aufträgen der Regierung profitiert - oder ist durch die Quoten zu seinem Job gekommen, die es für Unternehmen und Institutionen gibt.

International ein Star, national ein Verräter

International gesehen war Mayosi ein Star seiner Zunft, er war er an der Entdeckung eines Gens beteiligt, das Herzinfarkte bei Jugendlichen auslöst. Bei seinen weißen Studenten und Kollegen aber blieb er oft ein Schwarzer, mit dem es nicht weit her sein könne. Diese Haltung gaben manche seiner Studenten in diesen Tagen auch verschämt zu.

Schwarz und gebildet, das passt immer noch nicht zusammen an Südafrikas Universitäten, deren Lehrpersonal nach wie vor überwiegend weiß ist und nicht sonderlich an Veränderung interessiert. In den Fluren hängen immer noch die Bilder der Dekane aus der Apartheid-Zeit, in den Lehrplänen finden sich viele europäische Ideen und Geschichte und nicht besonders viel afrikanische.

Bongani Mayosi setzte sich für den Wandel ein wie kaum ein anderer - für viele Schwarze war er einfach ein Verräter, der mit den Weißen gemeinsame Sache machte anstatt sie zu bekämpfen. Auch nach seinem Tod ist bei denen, die ihn damals beleidigten, wenig Reflexion oder gar Reue zu spüren. Lydia Cairncross, eine Medizinerin und Aktivistin, sagte nach dem Selbstmord, sie könne sich an keinerlei Beleidigungen gegenüber dem Verstorbenen erinnern. Sie befand vielmehr: "Selten habe ich einen so demokratischen, spontanen und respektvollen Protest gesehen."

Toxische Atmosphäre in südafrikanischen Universitäten

Viele an der Universität Kapstadt haben eine deutlich abweichende Erinnerung an diese Zeit, in der der Campus einem Kriegsgebiet glich, auf dem Autos und Bilder angezündet wurden und jede Stimme der Mäßigung nieder gebrüllt wurde. "Es hatte etwas Faschistisches", erinnert sich ein schwarzes Fakultätsmitglied. Die Demonstranten, sie wüteten fast zwei Jahre lang und führten sich zuletzt in etwa so auf wie jene, deren schlimmes Erbe sie bekämpfen wollten. Anfangs bekam der Protest viel Zulauf, erreichte aber überhaupt nichts, als er wegen seiner Radikalität und Selbstgerechtigkeit an sich selbst erstickte.

Nach dem Tod von Bongani Mayosi wird in Südafrika über die Folgen gesprochen, über die toxische Atmosphäre an vielen südafrikanischen Universitäten. Viele Professoren erzählen von den Ängsten, die sie jeden Tag durchleben. Die schwarze Vizekanzlerin Mamokgethi Phakeng berichtete davon, wie sie sich wochenlang nur noch unter Tabletten auf den Campus traute, so schockiert war sie über die Ereignisse und den Umgang untereinander.

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