Klassikkolumne:Ironisch virtuos

Beethoven geht immer, das Casals-Quartett hat mit dessen 16 Streichquartetten einen Anfang gemacht. Aber was ist mit Boris Blacher?

Von Harald Eggebrecht

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Es bleibt dabei: Wenn ein Streichquartett sich auf dem Höhepunkt seiner Kunst zeigen will - Feinabstimmung der Klangbalance, Selbstverständlichkeit in der kammermusikalischen Kommunikation untereinander, auch in den solistischen Qualitäten der einzelnen Mitglieder und in der Reife insgesamt von Ausdrucksfähigkeit, dynamischer Nuancierung, Darstellungsklarheit und Klangfarbenfantasie - dann sind Ludwig van Beethovens 16 Quartette das Nonplusultra. Nun hat das großartige Cuarteto Casals begonnen, diese Stücke einzuspielen. Es bietet drei aus den sechs Werken op. 18, dann Beethovens Bearbeitung der Klaviersonate op. 14, 1 und das Quartett op. 59, 1, dem Grafen Rasumowsky gewidmet, schließlich op. 127 und das letzte Quartett op. 135. Die drei CDs trägt die Idee vom Mythos des Anfangs. Mit op. 18 stieg Beethoven sofort auf höchstem Niveau ins Schreiben von Quartetten ein, die drei von op. 59 markieren endgültig seinen ureigenen Umgang mit dem Genre. Op. 127 ist das erste der späten Quartette. Die "Casals"-Leute bestechen durch rhythmische Pointierung, scharfe Kontraste, klangliche und gedankliche Dispositionskraft. All das erhöht die Spannung auf die Fortsetzung des Zyklus. (harmonia mundi)

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Drei CDS mit Musik von Komponisten, die gleichsam zwischen den Stühlen von Tradition und strenger Moderne höchst erfolgreich waren. Der älteste, Bohuslav Martinů (1890 - 1959), greift das große Erbe der tschechischen Musik auf und bildet mit Elementen von Impressionismus, Strawinsky-Rezeption und auch Jazz einen vitalen, rhythmisch impulsiven attraktiven Musikstil aus. Davon zeugen seine Doppelkonzerte, eines für zwei Klaviere und Orchester von 1943, eines für zwei Violinen und Orchester von 1950. Martinů verlangt hohe Artistik, wie die Pianistinnen Momo und Mari Kodama und die Geigerinnen Deborah und Sarah Nemtanu brillant beweisen mit dem Orchestre Philharmonique de Marseille unter Lawrence Foster. Da klingt kräftig das barocke Concerto grosso durch, doch schräg versetzt.(Pentatone)

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In Darius Milhauds (1892 - 1974) Musik mischen sich lustvoll und klangsinnlich harmonischer Witz, rhythmischer Schwung und ironische Virtuosität. 1928 orchestrierte und arrangierte er Walzer von Schubert und Liszt zu "La Bien-Aimée", einem Stück für die berühmte Ballets Russes von Sergej Diaghilew. Alle Klavierpassagen galten einem Pianola, einem "Kunstspielklavier", das mit zwei Pedalblasebälgen angetrieben wird. Erzeugt wird ein eigentümlich verfremdeter Klavierklang. Der Pianola-Spezialist Rex Lawson, das Orchestre national d'lle-de-France unter Enrique Mazzola entdecken Milhauds Stück wieder, erstmals seit 1928! (Nomadmusic)

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Auch Boris Blachers (1903 - 1975) Musik funkelt rhythmisch variantenreich, harmonisch kess und orchestral klangraffiniert. Johannes Kalitzke hat mit dem Rundfunkorchester Berlin einige Stücke eingespielt, die Blachers ungemein elegante, dabei anspruchsvolle und vor allem beim späten "Poème" von 1974 auch herausfordernde Kunst eindringlich präsentieren. Erstaunlich, dass der Komponist den ersten großen Erfolg 1937 mit der flotten "Concertanten Musik" hatte. Das klingt überhaupt nicht nach NS-Deutsch und schwer, sondern übermütig und frech. Weil er weiterhin für Schönberg, Hindemith und Milhaud eintrat, wurde ihm 1939 ein Lehrauftrag entzogen. Nach 1945 wurde Blacher einer der großen Kompositionslehrer mit einer Schülerreihe von Gottfried von Einem bis zu Isang Yun. (Capriccio)

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Spanisches von Isaac Albéniz, Enrique Granados, Manuel de Falla bis zu Gaspar Cassadó und Joaquín Turina spielt der junge, vielfach preisgekrönte kanadische Cellist Bryan Cheng, Jahrgang 1997, mit seiner Schwester Silvie Cheng am Klavier so idiomatisch richtig, dass einem durchaus heiß werden kann: Vibrato dient hier in unterschiedlichster Schwingung als Farbeffekt, nicht als Passpartout. Die Plötzlichkeit im Wechsel von Hell und Dunkel, absolut konstituierend in der Musik dieser Komponisten, gelingt blitzschnell und überraschend. Das Elegische singt Cheng ohne Schmalz aus, das Bittere trifft er genau. So werden de Fallas "Siete canciones" zu messerscharf umrissenen Charakterstücken und Cassadós Solosuite zum Ereignis herber, strenger, doch auch träumerischer Schönheit. (audite)

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