Immobilien:Wenn nach der Zwischennutzung Leere herrscht

Immobilien: Das frühere Flostern in Giesing wartet auf eine neue Nutzung.

Das frühere Flostern in Giesing wartet auf eine neue Nutzung.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Flostern, Awi oder Provisorium: Sie waren beliebt und mussten trotzdem verschwinden. Obwohl die Räume nach ihrem Auszug ungenutzt bleiben.

Von Ana Maria Michel

Was hat man nicht alles im Provisorium erlebt, dieser Großmutter unter den Münchner Zwischennutzungen. Wie ungewöhnlich waren die Abende im Flostern, wie legendär die im Awi. Und welche Möglichkeiten glaubte man für die Stadt zu erkennen, als eine Baulücke in der Maxvorstadt für einen Sommer zum Wohnzimmer wurde.

Doch das alles ist Geschichte. Nicht selten hinterlässt das Ende einer beliebten Zwischennutzung eine Lücke in der Kultur- und Feier-Szene. Manchmal kommt zu dieser eher gefühlten Leere eine ganz reale, räumliche dazu. Wenn Orte, an denen eben noch Leben war, plötzlich leer und verlassen bleiben, weil die Sanierung oder neue Mieter auf sich warten lassen.

Das Flostern in Giesing war einer dieser Räume, die in München selten sind. Zumindest fast ein Jahr lang. Dabei war die Zwischennutzung der früheren Stadtbibliothek an der St.-Martin-Straße erst nur auf drei Monate angelegt. Das Zwischenspiel wurde mehrmals verlängert, immer um einen Monat. Das war die Bedingung, auf die sich die Macher des Projekts eingelassen hatten. Aber dann war Schluss.

"Ende Oktober 2017 mussten wir raus. Es hieß, der Raum sollte nun vermietet werden", sagt Hermann Hiller vom Atelier Held, der das Flostern mit seinem Kollegen Edward Beierle und Matthias Stadler vom Künstlerkollektiv Tam Tam betrieb. Zuvor hatten sie bereits für drei Monate in Pasing einen Behelfsbau bespielt, der abgerissen werden sollte. Für Hiller kam das Ende in Giesing nicht unerwartet, aber doch überraschend. Was ihn heute wundert: Bisher ist aus den Räumen nichts geworden. Wände und Fenster sind noch wie zu Flostern-Zeiten bunt gestaltet, los ist hier aber nichts. Keine Konzerte, keine Lesungen, keine Ausstellungen. Und das seit Monaten.

Die Immobilie gehört einer Stiftung und wird von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag verwaltet. Die Bibliothek erstreckte sich über das Unter- und Erdgeschoss sowie den ersten Stock. Aus Gründen des Denkmalschutzes sollte die Fläche in ihren früheren Zustand versetzt werden: mit einer Wohnung oben und einer Gewerbefläche unten. Doch laut Gewofag war die Planung aufwendiger als gedacht.

Der Laden wurde erneut ausgeschrieben

Das Flostern profitierte davon, die Zwischennutzung konnte verlängert werden. Als nach dem Auszug die Bauarbeiten begannen, traten statische Probleme auf. Wieder dauerte alles länger als gedacht. Mittlerweile ist die Wohnung fertig und bezogen, sagt die Gewofag. Die Ladenfläche befindet sich noch im "Vermietungsprozess". Zu den Einzelheiten will sich die Gewofag nicht äußern.

Beim Giesinger Stadtteilladen, der das Flostern unterstützt hat, ist vor etwa zwei Monaten die Information angekommen, dass ein neuer Mieter abgesprungen sein soll. Danach war der Laden erneut ausgeschrieben. Der Stadtteilladen erkundigte sich, ob das Flostern nicht noch einmal in die Räume könne. Doch er bekam eine Absage, da nun jederzeit ein Mieter gefunden werden könne.

In einem solchen "Vermietungsprozess" befindet sich auch die städtische Immobilie Müllerstraße 26. In dem früheren Copyshop war bis April das Awi zu Hause. Klaus Gunschmann, früher Türsteher im P1, und zwei Kollegen betrieben die beliebte Pop-Up-Bar. "Es war vertraglich geregelt, wann wir raus mussten", sagt er. Weitergemacht hätte er trotzdem gerne. Das Awi musste der Gewofag zufolge ausziehen, weil Instandsetzungsarbeiten nötig waren. Gunschmann findet es schade, dass die Räume jetzt leer sind. Er und seine Kollegen sind inzwischen weitergezogen und betreiben die Bar Goldener Reiter.

Auch im früheren Provisorium an der Lindwurmstraße sind die Fenster mit Papier zugeklebt. Ende April musste die Kunstbar, die eine Art Dauer-Zwischennutzung war, endgültig ausziehen. Auf ein halbes Jahr war das Projekt der Brüder Wanja und Igor Belaga zunächst angelegt, am Ende waren es gut sechs. Der Eigentümer wollte ein Hotel bauen, doch das verzögerte sich. "Der Vermieter sagte uns, dass das Haus demnächst abgerissen werden sollte", sagt Wanja Belaga. Sein Bruder und er machen in Haidhausen weiter: Im September wollen sie die Paris Bar an der Gravelottestraße eröffnen - dieses Mal dauerhaft.

Dass es nach einer Zwischennutzung nicht gleich weitergeht, diese Erfahrung macht das städtische Kommunalreferat immer wieder. Genehmigungsverfahren oder Untersuchungen, etwa um den Boden auf Schadstoffe zu überprüfen, könnten dem im Wege stehen. Nach außen wirke ein Laden dann ungenutzt, während im Hintergrund bereits etwas passiere. Auch könne sich die Planung kurzfristig ändern, etwa wenn der Brand- oder Lärmschutz verbessert werden muss.

Mit dem Kompetenzteam "Kultur- und Kreativwirtschaft" unterstützt die Stadt grundsätzlich Zwischennutzungen. Dieses kümmere sich aber weniger um die Frage, was passiert, wenn Pop-Up-Projekte vorbei sind. Wenn sie leere Räume sehen, fragen die Mitarbeiter zwar nach, ob nicht eine weitere Zwischennutzung möglich sei, erklärt Teamleiter Jürgen Enninger. "Wir sind aber pragmatisch und wollen uns auch nicht verbeißen", sagt er. Die Dauer sei bei Projekten meist klar geregelt. Auch für die Zwischennutzer sei es wichtig, den Endzeitpunkt zu kennen, um etwas Neues angehen zu können. Zudem koste eine Zwischennutzung viel Kraft. "Man muss aufpassen, dass man sich nicht ruiniert", sagt auch Wanja Belaga vom früheren Provisorium.

Einfach mal machen, war dagegen der Ansatz eines Teams aus Architekturstudenten, das in einer Baulücke an der Ecke Rottmann- und Schleißheimerstraße mit der Lückenfülle 2016 eine Art offenes Wohnzimmer einrichtete. Der Eigentümer hatte ohne viel Bürokratie zugestimmt. Zunächst nur für drei Wochen, doch dann durfte die Lückenfülle drei Monate bleiben. Kurz später sollten die Bauarbeiten beginnen, es dauerte allerdings noch bis November 2016. "Wir sind kurz vor Baubeginn", kündigt ein riesiges Plakat an der Baustelle, auf der bisher vor allem eine tiefe Grube zu sehen ist, noch immer an.

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