Bad Wörishofen:Kneipps schwieriges Vermächtnis

Bad Wörishofen: Das traditionsreiche Kneippianum in Bad Wörishofen wird Ende des Jahres schließen.

Das traditionsreiche Kneippianum in Bad Wörishofen wird Ende des Jahres schließen.

(Foto: Privat)

Entsetzen und Kritik: Der Orden der Barmherzigen Brüder schließt das Kneippianum, eine direkte Hinterlassenschaft des berühmten Pfarrers.

Von Uwe Ritzer

"Sie glauben nicht, was hier los ist", sagt der Kurgast am Telefon, "im ganzen Ort gibt es nur das Thema." Die Aufregung ist groß in Bad Wörishofen, seit der Orden der Barmherzigen Brüder überraschend und kurzfristig angekündigt hat, dass Kneippianum am 10. Dezember zu schließen. Das ist nicht irgendeiner der insgesamt 150 Kurbetriebe in Bad Wörishofen; sondern eine von drei persönlichen Hinterlassenschaften des Pfarrers Sebastian Kneipp. Jenes katholischen Geistlichen, der sich als "Wasserdoktor" mit seiner Gesundheitslehre bleibenden Ruf über seinen Tod 1897 und Bad Wörishofen hinaus erworben hat.

"Es trifft uns vor allem emotional und im ideellen Bereich, eben weil die Einrichtung von Kneipp selbst gegründet wurde und auch noch seinen Namen in sich trägt", sagt Bürgermeister Paul Gruschka (FW). "Erst kurz vorher" habe er von der Schließung erfahren. Soll heißen, kurz bevor die 68 Mitarbeiter einbestellt und zum Teil gekündigt wurden, angeblich im Fünf-Minuten-Takt und unter rüden Umständen. So schildern es Betroffene in einem anonymen Brief, aus dem die Mindelheimer Zeitung zitierte. "Wir fühlen uns belogen und betrogen", heißt es da.

Kaum jemand würde sich wundern, träfe der Vorwurf einen privaten Klinikkonzern. Tatsächlich aber zielt er auf die Barmherzigen Brüder, einen katholischen Orden mit weltweit 1200 und in Bayern einem halben Dutzend Ordensmännern. Vor allem aber sind die Barmherzigen Brüder ein Sozialkonzern mit 50 000 Beschäftigten in 350 Krankenhäusern und therapeutischen Einrichtungen. Das Kneippianum, mit 144 Betten einer der großen Kurbetriebe in Bad Wörishofen, gehört auch dazu.

Die Barmherzigen Brüder nehmen für sich in Anspruch "offen für die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen" zu sein, getreu dem Motto ihres Gründers Johannes von Gott im 16. Jahrhundert: "Das Herz befehle." Mitarbeiter des Kneippianums indes beklagen Hartherzigkeit. In ihrem Fall würden "die Ordensleitsätze dermaßen mit Füßen getreten, dass es eine Schande ist", schreiben sie. Ansgar Dieckhoff, Verwaltungsdirektor der Barmherzigen Brüder, wollte die Vorwürfe auf Anfrage nicht kommentieren. "Zu anonymen Briefen beziehen wir grundsätzlich keine Stellung."

700 000 Übernachtungen zählt Bad Wörishofen jährlich; das Kneippianum steuert etwa fünf Prozent davon bei. Manche Einheimische fürchten allmählich um das Profil als Kneipp-Stadt. Im Frühjahr hat der Orden aus wirtschaftlichen Gründen bereits das Familie-Kind-Haus geschlossen, ebenfalls eine Hinterlassenschaft des Pfarrers. Es bleibt das mit dem Kneippianum vergleichbare, etwas größere Sebastianeum, das die Barmherzigen Brüder nach eigenen Angaben stärken wollen.

Die Defizite seien zum Teil hausgemacht

2002 hatten sie das Kneippianum vom Orden der Mallersdorfer Schwestern übernommen. Es sei seit langem defizitär, sagt Dieckhoff und spricht von "substanziellen Summen, insbesondere in den letzten sieben Jahren". Schuld sei nicht die Belegung; 2018 wird mit einer Auslastung von 66,5 Prozent gerechnet. Vielmehr sei es "uns nicht möglich, in Bad Wörishofen die notwendige Höhe der Übernachtungspreise durchzusetzen". Obendrein hätte man investieren müssen. Der Mittelbau des Kneippianums bedürfe "der Totalsanierung oder sogar eines Abrisses mit einem Neubau", so Dieckhoff. "Die über mehrere Etagen notwendige Baumaßnahme hätte nach unserer Einschätzung eine Schließung für die Bauphase erfordert, bei welcher wir unsere Mitarbeiter hätten entlassen und dann nach Baufertigstellung wieder einstellen müssen."

Auch bei einem Umbau während des laufenden Hotelbetriebs "wäre die Investition nicht darstellbar". Kritiker sagen, die Defizite seien zum Teil hausgemacht. So nimmt das Kneippianum seit einigen Jahren keine Kassenpatienten mehr als Kurgäste auf, was Einnahmen sinken ließ.

Nun wollen die Barmherzigen Brüder das Areal verkaufen; Interessenten gibt es. Der Orden, so Dieckhoff, sei aber "zutiefst bemüht", Kneipps Vermächtnis "im Sebastianeum fortzuführen".

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