Arte-Dokumentation über Starbucks:Kalter Kaffee

Arte-Dokumentation über Starbucks: Millionen Becher mit dem Meerjungfrau-Logo gibt der Konzern täglich aus - an die Umwelt denkt er dabei nicht.

Millionen Becher mit dem Meerjungfrau-Logo gibt der Konzern täglich aus - an die Umwelt denkt er dabei nicht.

(Foto: Premières Lignes)
  • Die Filmemacher Gilles Bovon und Luc Hermann sind der Frage nachgegangen, wie böse Starbucks wirklich ist.
  • Herausgekommen ist eine Dokumentation für Arte, die sich an einem Blick hinter die Fassade der weltgrößten Café-Kette versucht.
  • Steuern, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz: Alles soll zur Sprache kommen. Und das ist letztendlich zu ambitioniert.

Von Vivien Timmler

Da ist immer dieses Risiko. Die Gefahr, bei einem Großprojekt von der Aktualität eingeholt zu werden, und zwar so knapp, dass sich nicht mehr alles umschmeißen lässt. Der Rücktritt von Howard Schultz, einem der einflussreichsten Manager in den USA und bis vor zwei Monaten Chef der Café-Kette Starbucks, ist so ein Fall: Man kann die Dokumentation Starbucks ungefiltert zwar ausstrahlen, ohne den Rücktritt zu thematisieren - ist dann aber eben nicht ganz so gelungen.

Mit 28 000 Filialen und mehr als 250 000 Angestellten ist Starbucks die größte Café-Kette der Welt. Gleichzeitig gibt es kaum ein Unternehmen, das sich so ungern hinter die Fassade blicken lässt. Inhaber Schultz hat über die Jahre ein aufwendiges Bild des Konzerns kreiert: Starbucks, der Wohltäter, der soziale Arbeitgeber, der Botschafter des guten Kaffees. Doch was davon ist wahr?

Die Filmemacher Gilles Bovon und Luc Hermann wollen mit ihrer Dokumentation zeigen: nicht allzu viel. Sie beleuchten jede auch nur denkbare Seite des streitbaren Konzerns: die Steueroptimierung, der rüde Umgang mit Produzenten, die Verantwortung für Millionen nicht-recycelbare Pappbecher, die tägliche Arbeitsbelastung in den Filialen. Alles soll zur Sprache kommen. Das ist ambitioniert - und letztendlich zu ambitioniert.

Starbucks ungefiltert erweist sich als eine erschöpfende Sammlung an Kritikpunkten, die es aber verpasst, einzelnen davon wirklich auf den Grund zu gehen. So wird etwa eine Journalistin in Wallraff-Manier in eine Pariser Filiale geschleust, um endlich einmal herauszufinden, "wie die Arbeit dort wirklich ist". Bis auf die Tatsache, dass langes Stehen Rückenschmerzen verursacht und die Arbeit hinterm Tresen ganz schön zermürbend sein kann, bringt sie aber keine größeren Erkenntnisse mit.

Auch die Haltung der Filmemacher ist denkbar erwartbar. Ihre Botschaft "Starbucks ist böse" kann man ja durchaus so vertreten - neu ist das nur nicht. Viel interessanter wäre es gewesen, Fragen nachzugehen, die in der Dokumentation als gegeben hingenommen werden. Etwa, warum Starbucks mit seinen Steuer-Gebaren in vielen Ländern immer noch durchkommt. Oder warum die Mitarbeiter, die so über ihren Arbeitgeber schimpfen, keinen Aufstand wagen. Und vor allem: Warum immer noch so viele Menschen Tag für Tag zu Starbucks rennen.

Schließlich ist es ja nicht so, als hätte der Kunde keine Wahl. Trotzdem entscheiden sich täglich Millionen Kunden dafür. Was wiederum - neben einem wahnsinnig talentierten Kaffeepulver-Künstler im Film - ein guter Grund ist, die Doku anzuschauen: Obwohl die Kritikpunkte alles andere als neu sind, können sie bislang weder dem Image noch dem Wachstum des Konzerns etwas anhaben. Je mehr Menschen davon erfahren, desto schwerer hat es der Konzern womöglich in Zukunft. Und desto schwerer könnte es der scheidende CEO Schultz haben: Ihm werden Ambitionen für die Präsidentschaftswahl 2020 nachgesagt.

Starbucks ungefiltert​, ARTE, 20.15 Uhr.

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