Sachsens Ministerpräsident Kretschmer:"Es sind nicht die Chemnitzer, es sind nicht die Sachsen - es sind Extremisten"

Lesezeit: 2 min

  • Es sei "geschmacklos und verstörend", wie Rechtsextremisten die Geschehnisse in Chemnitz instrumentalisierten, sagt der sächsische Ministerpräsident Kretschmer.
  • Deren Aufrufe beruhten auf falschen Informationen, es handle sich um einen "Angriff auf unsere Wahrheitssysteme".
  • Der CDU-Politiker forderte alle Sachsen auf, sich vor ausländische Mitbürger zu stellen.

Ministerpräsident Michael Kretschmer hat einen Aufruf an alle Sachsen gerichtet, sich Rechtsextremisten entschieden entgegen zu stellen. Es sei "geschmacklos und verstörend", wie diese die Geschehnisse in Chemnitz instrumentalisierten.

In der Nacht zu Sonntag war auf einem Stadtfest in der ostdeutschen Stadt ein deutscher Mann nach einer Messerattacke ums Leben gekommen. Zwei dringend Tatverdächtige, ein 23-jähriger Syrer und ein 22-jähriger Iraker, sitzen in Untersuchungshaft. Sonntag und Montag war es daraufhin zu heftigen Protesten gekommen, bei denen Rechtsextreme das Bild dominierten. Mehrere Menschen, darunter Migranten, wurden verletzt.

Demos in Chemnitz
:"Das hier ist unsere Stadt"

Die Ausschreitungen in Chemnitz beweisen, dass es in Sachsen nur einen Anlass braucht, und Tausende Neonazis stehen zur Hassparade bereit. Die Polizei ist überfordert - wie sie selbst zugibt.

Von Antonie Rietzschel und Ulrike Nimz, Chemnitz

Kretschmer rief angesichts dieser Vorfälle dazu auf, sich "vor unsere ausländischen Mitbürger zu stellen". Die Tatsache, dass es sich bei den Verdächtigen um einen Syrer und einen Iraker handle, dürfe nicht zu einem Generalverdacht gegen alle ausländisch aussehenden Menschen führen.

Den Rechtsextremen, die im Internet zu den Protestmärschen durch Chemnitz aufgerufen hatten, warf Kretschmer einen "Angriff auf unsere Wahrheitssysteme" vor. Die Aufrufe beruhten zum Teil "auf falschen Informationen, auf Fake News". So könne die Landesregierung nicht bestätigen, dass vor der Messerattacke eine Frau belästigt worden sei und diese habe geschützt werden sollen. Genau das aber fände sich in zahlreichen Einträgen in einem Kondolenzbuch für den getöteten Deutschen wieder.

Die Aufklärung der Tat, an der mit Hochdruck gearbeitet werde, sei daher eine wichtige Angelegenheit. "Es muss uns gelingen, dass wir nicht Fake News die Oberhand überlassen, sondern dass wir Fakten liefern, sodass jeder weiß, was sich wirklich zugetragen hat." In Anlehnung an eine Rede des verstorbenen Altbundespräsidenten Roman Herzog forderte Kretschmer, ein "Ruck" müsse durch die sächsische Gesellschaft gehen. "Es sind nicht die Chemnitzer, es sind nicht die Sachsen, es sind Extremisten, denen wir mit allen Mitteln den Kampf ansagen." Menschen, die bei den Märschen den Hitlergruß gezeigt hätten, würden entschieden verfolgt, kündigte Kretschmer an.

Der Ministerpräsident trat Vorwürfen entgegen, denen zufolge Sachsen auf dem rechten Auge blind sei. Die Soko Rechtsextremismus habe mehrere Gruppen enttarnt, etwa die Gruppe Freital. Zudem habe sich die Landesregierung bereits in der Vergangenheit zu einer Stärkung des Programms "Weltoffenes Sachsen" entschieden und auch den sogennanten "Reichsbürgern" den Kampf angesagt.

Den Angehörigen des getöteten Deutschen sprach Kretschmer sein Beileid aus. "Es ist eine schreckliche Tat. Sie rührt uns alle".

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU), der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, sprach von "alarmierenden Bildern". Zu der Demonstration seien Chaoten und Hooligans aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thüringen, Berlin und Brandenburg nach Chemnitz gekommen. "Das ist Anlass, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen.

Die polizeilichen Maßnahmen in Chemnitz sollten erheblich ausgeweitet werden. "Die eingesetzten Beamten haben einen verdammt guten Job gemacht", sagte Wöller. Laut Landespolizeipräsident Jürgen Georgie ist im Laufe des Montags die Zahl der prognostizierten Demo-Teilnehmer stark gestiegen. Nach Angaben Wöllers waren 1500 Demonstranten angemeldet, 7000 seien gekommen, davon 6000 im Lager der Rechtsextremen. 18 Demonstranten und zwei Polizisten seien verletzt worden. Darüber hinaus gab es 43 Anzeigen unter anderem wegen Körperverletzung (11), Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (10), Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (3) und Landfriedensbruchs (2).

© SZ.de/bepe/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Leserdiskussion
:Wie bewerten Sie den Umgang von Politik und Staat mit dem Fall Chemnitz?

Die Ausschreitungen in Ostdeutschland überfordern die Polizei und führen zu ganz unterschiedlichen Reaktionen aus der Politik. Ministerpräsident Kretschmer prangert am Montagnachmittag in einem Tweet Hetze und Selbstjustiz an, die Bundesregierung kritisiert die Ausschreitungen auf "das Schärfste".

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: