Sommer-Serie:Die Wurzn vom Pilsensee

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Dass der Kiosk von Andrea Heudecker solch einen auffälligen Namen hat, soll etwas mit dem früheren Stammtisch zu tun haben. Hier gibt es so ziemlich alles, was das Herz der Badegäste begehrt - von den Süßkartoffelpommes bis hin zum Kaugummi.

Von Christine Setzwein, Seefeld

Helene Fischer war noch nicht da. Der Schauspieler und Kabarettist Andreas Giebel schon, und gerade sitzt Schauspielerkollegin Karin Thaler da. Aber leider nicht Helene Fischer, wo Andrea Heudecker doch ein Riesenfan der Sängerin ist. Schon dreimal war sie in Konzerten der Unterhaltungskünstlerin. Im Moment muss eben die Helene-Fischer-Tasse reichen, aus der Heudecker ihren Cappuccino trinkt.

Lange kann die 42-Jährige ohnehin nicht sitzen. Die ersten Gäste sind schon da am Kiosk "Zur Wurzn". Einmal Wiener mit Breze, Currywurst mit Pommes, die Mitarbeiterinnen eines nahen Autohauses bestellen Cheeseburger. Die Wurzn am Ostufer des Pilsensees ist ein Kiosk wie aus dem Bilderbuch: neben dem Ausgabefenster stehen Lutscher und Kaugummis, Milch und Zucker für den Kaffee und eine Spendenbox für die Wasserwacht. Große Plakate werben für Weißwurst, Currywurst, Cheeseburger und auch Beaked Potatoes.

Auf der Speisekarte steht noch viel mehr. Da gibt es Wurstsalat, Schnitzel, Leberkäs, Flammkuchen, verschiedene Salate, aber auch Kaiserschmarrn. Und Süßkartoffelpommes, ohne die es offensichtlich nicht mehr geht. Über der Luke hängt ein Bild mit Segelschiffen und ein Fischernetz. Und ein holzgerahmtes Wappen der Gemeinde Seefeld. "Das hab' ich vom Wertstoffhof gerettet", sagt Heudecker. Neben dem urigen Holzgebäude sind die Verführungen für die kleinen Gäste platziert - Automaten mit Kugeln voller süßer Überraschungen und Krimskrams. Auf einem Dino darf geritten werden.

Kinder freuen sich nicht nur über Eis und Pommes, sondern vor allem über die Kaninchen, die in einem Gehege vor sich hinmümmeln. (Foto: Nila Thiel)

Gegenüber vom Kiosk hat Andrea Heudecker einen Sandkasten angelegt mit Spielzeugautos zum Draufsitzen und Baggern. Aber am spannendsten ist für die Kinder das kleine Gehege daneben mit echten Tieren. Zwei Kaninchen, ein Geburtstagsgeschenk für die dreijährige Tochter Amelie, mümmeln dort vor sich hin. Einen Namen haben sie noch nicht. "Die heißen einfach schwarzer und weißer Hase", sagt Heidecker.

Wer zur "Perle vom Pilsensee" will, muss zuerst durch eine dunkle Unterführung, die den Parkplatz an der viel befahrenen Staatsstraße 2068 mit Kiosk und Badeplatz verbindet. Das 1,5 Hektar große Areal ist ein ausgewiesenes Erholungsgebiet des "Vereins zur Sicherstellung überörtlicher Erholungsgebiete in den Landkreisen um München". Die 8000 Quadratmeter große Liegewiese zieht sich wie ein Band am Ufer des Pilsensees entlang. Einen Steg ins Wasser gibt es nicht. Die Badegäste müssen über Steine. Zuletzt hatte der Erholungsflächenverein den Bau eines Stegs vor drei Jahren abgelehnt. Dafür sei momentan kein Geld da, hieß es. Eigentümer des Pilsensees - und des Wörthsees - ist Hans C. Graf zu Toerring-Jettenbach.

Die Wurzel auf dem Stammtisch weist auf die Herkunft des Namens hin. (Foto: Nila Thiel)

Einen Steg vermisst Andrea Heudecker nicht. Schön wäre es gewesen, wenn der Radweg vom Campingplatz Pilsensee weitergebaut worden wäre bis zur Wurzn, meint sie. Aber auch dafür ist kein Geld da. Den Kiosk am Pilsensee, der von Mai bis September an sonnigen Sommertagen von 10 bis 20 Uhr geöffnet ist, führt Heidecker seit sechs Jahren. Bevor sie Chefin der Wurzn wurde, betrieb sie den kleinen Laden und den Kiosk am wenige Meter entfernten Campingplatz Pilsensee. Schon seit frühester Kindheit verbrachte sie die Sommer im Fünfseenland. Den Kiosk und Biergarten im Erholungsgelände Oberndorf am Wörthsee hatte ihre Oma betrieben, seit fast 25 Jahren tun das ihre Eltern Heidi und Helmut Heudecker. "Da bin ich als Kind schon immer rumgewuselt", erzählt Andrea Heudecker, die in Herrsching lebt. Aber einen Kiosk wollte sie nie haben. Sie hat Bankkauffrau gelernt, was ihr jetzt für die Buchhaltung zugute kommt. Warum sie sich dann doch selbständig gemacht hat? "Weil ich so die Freiheit habe, das zu tun, was ich meine und wie ich es meine."

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Familiär und schattig

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(Foto: Nila Thiel)

Für Hannelore Almus ist der Pilsensee "meine Badewanne". Die Andechserin kommt hierher, seit sie denken kann. Von April bis Oktober geht sie ins Wasser, auch wenn es nur 14 oder 15 Grad hat. Früher, als sie noch berufstätig war, fuhr sie in der Mittagspause her. "Ich liebe den Pilsensee", sagt sie, den Schatten und die familiäre Atmosphäre. "Man kennt sich." Auch der steinige Weg ins Wasser macht ihr nichts aus. Und noch etwas liebt sie: "Die Süßkartoffelpommes, die muss ich haben." csn

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Immer lustig

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(Foto: Nila Thiel)

Michaela Neumann kommt bei schönem Wetter jeden Tag an den Pilsensee. Die Seefelderin war schon als Kind da, dann mit ihren Kindern und jetzt mit Enkelin Leonie. Sie schätzt den Ausblick auf den See und vor allem die Leute. "Es ist immer lustig hier", sagt sie. Am Pilsensee ist ihr das Wasser lieber als zum Beispiel am Wörthsee. Dort ist ihr der Grund zu schlammig, und am Ammersee fürchtet sie die Schlingpflanzen. "Und Stege mag ich nicht", sagt Neumann. csn

Warum der Kiosk Zur Wurzn heißt, weiß auch die Pächterin nicht genau. Jemand habe ihr erzählt, sagt sie, dass sich unter dem früheren Stammtisch die Wurzel einer der großen Bäume - Eichen und Ahorne - befunden habe. Als Reminiszenz daran steht auf einem der Tische heute noch eine Wurzel mit dem Schild "Stammtisch" darauf.

Papa Helmut bringt frischen Leberkäse und Wurst. Schon wieder werden Pommes bestellt. Auf die ist Andrea Heudecker stolz. "Viele Gäste sagen, das sind die besten weit und breit." Das liege daran, dass sie ein bestimmtes Fritten-Gewürz verwendet. Unterstützt wird die 42-Jährige von mehreren Aushilfen, meistens Studentinnen so wie Valeska, die Tische und Bänke abwischt, Geschirr einräumt und an der Ausgabe mithilft. Herrin der Küche ist Heudecker.

Ein paar Wochen dauert die Saison noch, bis für heuer Schluss ist. Dann hat Andrea Heudecker auch wieder mehr Zeit für ihre dreijährige Tochter. Aber wenn der Pilsensee zufriert im Winter, gibt es am Wochenende in der Wurzn Glühwein und Würstl.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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