Kautionswesen in den USA:Das Ende der Kopfgeldjagd

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Ein klassiches Motiv des amerikanischen Kinos: In dem Film "Django Unchained" von Quentin Tarantino befreit der Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz, l.) besagten Django (Jamie Foxx, r.) und unterrichtet ihn in dessen Handwerk. (Foto: Columbia Pictures)
  • Der Bundesstaat Kalifornien hat eine Maßnahme beschlossen, die im amerikanischen Rechtswesen einer Revolution gleichkommt: Die Kaution für Straftäter soll abgeschafft werden.
  • Kritiker sagen, dass System der Kaution sei sozial ungerecht.

Von Hubert Wetzel, Washington

Anfang der Achtzigerjahre zeigte das ZDF die amerikanische Fernsehserie "Ein Colt für alle Fälle". Die Hauptfigur darin war ein Mann namens Colt Seavers, der in Hollywood als Stuntman arbeitete. Daneben verdiente er sein Geld damit, dass er Kriminelle einfing, die auf Kaution freigelassen worden waren, sich dann aber abgesetzt hatten, um einer Verurteilung zu entgehen. Colt Seavers war eine Art moderner Kopfgeldjäger, ein bounty hunter, wie das in Amerika heißt.

Seavers' Nachfolger, die heute noch auf der Jagd sind, werden sich allerdings einen anderen Job suchen müssen. Als erster US-Bundesstaat hat Kalifornien jetzt die Kaution abgeschafft - eine Revolution für Amerikas Rechtswesen.

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Bisher funktionierte die Sache so: Ein Straftäter, der angeklagt war, konnte unter bestimmten Bedingungen die Untersuchungshaft vermeiden und bis zu seinem Prozess in Freiheit bleiben, wenn er eine Kaution hinterlegte, im Englischen: bail. Zumeist war das eine Summe Bargeld, deren Höhe der Richter festsetzte. Angeklagte, die diese Summe nicht flüssig hatten, konnten das Geld von speziellen Maklern einzahlen lassen. Die nahmen für ihre Dienste eine Gebühr, zehn Prozent der Kautionssumme waren üblich. Am Tag der Verhandlung erhielt der Makler das hinterlegte Geld zurück und behielt die Gebühr als Profit.

Wenn jedoch der Angeklagte nicht zu seinem Gerichtstermin erschien, verlor der Makler die Kaution. Und um auf dem Verlust nicht sitzen zu bleiben, konnte er Kopfgeldjäger wie Colt Seavers anheuern, die den Angeklagten aufspürten und gegen dessen Willen bei Gericht vorführten.

Die Ungerechtigkeit dieser Praxis liegt auf der Hand: Reiche Bürger können sich von der Untersuchungshaft freikaufen, arme Angeklagte wandern entweder in den Knast oder müssen teure Bail-Makler bezahlen. Für die freilich ist das Geschäft mit der Freiheit äußerst lukrativ: Zwei Milliarden Dollar verdient die Branche in den USA jährlich - allemal genug, um den schlechten Ruf aufzuwiegen.

Die Schwere der Strafttat soll den Ausschlag geben, nicht der Kontostand

Kalifornien, der bevölkerungsreichste Bundesstaat, dem andere oft in der Gesetzgebung folgen, beendet die Abzockerei nun. Die Richter dort sollen künftig anhand anderer Kriterien entscheiden, ob ein Angeklagter in Haft oder zu Hause auf seinen Prozess wartet. Die Schwere der Straftat, die Wiederholungs- oder Fluchtgefahr sollen den Ausschlag geben, nicht der Kontostand. Das wird zwar in der Realität wohl nicht verhindern, dass Reiche und Arme vor Gericht oft unterschiedlich behandelt werden. Aber es könnte wenigstens etwas mehr Gerechtigkeit bringen.

Allerdings stirbt mit der Reform, so sinnvoll sie sicher ist, auch ein Stückchen amerikanischer Kulturgeschichte. Kautionsmakler und ihre Klienten tauchen - in allen Abstufungen von zutiefst verwerflich bis höchst sympathisch - in unzähligen Filmen und Liedern auf. "Ein Colt für alle Fälle" mit Lee Majors; "Bad News Bears" mit Billy Bob Thornton; "Midnight Run" mit Robert De Niro. Und über wen sänge Tom Waits, gäbe es keine Kleinkriminellen, die auf Kaution draußen sind? "Sie trinkt meinen Schnaps, sie klaut alle Laken, sie flucht wie ein Matrose", heißt es in einem seiner Lieder. "Wenn ich je wieder Kaution für sie stellen muss, werde ich verrückt."

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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