Oktoberfest:"Bella ciao" ist der perfekte Wiesn-Hit

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Ein Prosit, ein Prosit der Gemeinsamkeit: Oktoberfest-Besucher stoßen mit einer Mass Bier an. (Foto: Tobias Hase/ dpa)

Musikalisch und textlich hat das Lied der italienischen Partisanen alles, was es braucht - nicht zuletzt, weil es einst im Kampf gegen die Faschisten gesungen wurde.

Kolumne von Stephan Handel

Wohlmeinende Menschen müssen in Zeiten wie diesen ja jede Unterstützung annehmen, die sie bekommen können - und sei es die der trivialsten, geschichtsvergessensten und oberflächlichsten aller Künste, also der Popkultur. Deshalb, auch wenn's schwerfällt: Ja, "Bella ciao" muss der Wiesnhit 2018 werden.

Die Verhältnisse haben sich nämlich geändert seit 2001, als nach den New Yorker Anschlägen irgend jemand vorschlug, "Give peace a chance" von John Lennon sollte die Bierzelt-Hymne werden, was dann glücklicherweise nicht passierte. Heute aber, im Jahr 2018, wo Ausländer von Rechtsradikalen durch die Straßen gejagt werden, wo deren parlamentarischer Vertreter sagt, das sei ja wohl nachvollziehbar, und wo der Bundesinnenminister sich eine abschließende Meinung dazu erst bilden will, wenn genau recherchiert ist, ob die Leute mit dem Hitlergruß auch wirklich Nazis waren - in einem solchen Jahr also kann gar nichts Besseres passieren, als dass über das ganze Oktoberfest das Lied der italienischen Partisanen, der Widerstandskämpfer gegen die Faschisten schallt.

(Manchmal ist zu lesen, "Bella ciao" sei das Lied der heutigen Antifa. Das stimmt aber nicht - erstens ist es viel älter, zweitens versuchen die meisten Antifaler auf gar keinen Fall in den Verdacht romantischer Neigungen zu geraten, und romantisch ist "Bella ciao" allemal.)

Musikalisch wie textlich hat der Titel alles, was ein Wiesnhit braucht: Die Melodie ist einfach und eingängig, alle fünf Strophenzeilen basieren auf einem einzigen Motiv, einem Auftakt von drei Achteln. Der Titel ist sozusagen als Kehrvers in die Strophe eingebettet, und dieses "Bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao" dürfte der Zunge auch nach drei Mass keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Am allerbesten wäre es natürlich, wenn das Lied Leute aus den Zelten fernhalten würde, die lieber "Schwarzbraun ist die Haselnuss, schwarzbraun bin auch ich" singen möchten. Da ist "Bella ciao" eindeutig das schönere Lied, nicht nur in Zeiten wie diesen.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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