Aufregung um Youtube-Video:Spaß beiseite im TV-Kochstudio

Ein Schuhbeck-Verschnitt auf Youtube spottet über hungernde Nicaraguaner. Internetnutzer sind entsetzt - die Regisseure wurden ausgezeichnet.

Sarina Pfauth

Der Koch gießt flüssige Schokolade über ein Törtchen. Dann schnippelt er "herrlich frische" Bananen aus Nicaragua. Der Mann in weißer Kluft und mit gepflegtem bairischen Zungenschlag palavert dann in Kochshow-Manier über die Arbeiter auf den Bananenplantagen: "Viele von den kleinen Rackern haben ja keine besonders große Lebenserwartung wegen dem intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aber wie man so schön sagt: 'A bisserl a Schwund ist immer!'" Er lacht. "Aber jetzt Spaß beiseite."

Am Ende des kurzen Filmausschnitts greift der Fernsehkoch, der sehr an Starkoch Alfons Schuhbeck erinnert, zu einem Kelch Rotwein und fordert die Zuschauer auf, es ihm gleich zu tun: "Heben Sie das Glas zum Dank an all jene Menschen auf der anderen Seite der Erde, die mit dem Geld und dem Essen ein wenig zurückstecken, dafür aber die Grundlage schaffen für unser wunderbares Bananen-Creme-Chili-Schokoladenpastetchen. In diesem Sinne: Guten Appetit!" Zum Abgang ertönt säuselnde Musik.

"Ist das echt? Ist das wirklich ein Ausschnitt aus einer Koch-Show?" Die Youtube-Nutzer, die den Film kommentiert haben, sind verwirrt. Man traut Fernsehköchen allerhand zu. "Was für ein Bastard", schreibt einer, ein anderer findet: "Dafür darf er sich bis ans Ende seines Lebens schämen". "Ihr müsst einfach mal ein bisschen denken", kommentiert ein weiterer User, "da ist ne Message dahinter!"

"Hungernde Kinder werden weggezappt"

Damit hat er recht, denn das Video ist kein Kochshow-Ausschnitt, sondern ein preisgekrönter Werbefilm. Die Regisseure sind zwei Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Maximilian Gerlach, 25, und Jessica Benzing, 26, haben eben für die gesellschaftskritische Satire beim internationalen Werbefilmfestival in Ravensburg den Preis der Fachjury in Bronze in der Kategorie Web & Mobile sowie den Spotlight-Publikumspreis in Silber bekommen.

Der Clip ist Teil der Internet-Werbekampagne "Thank you Third World" - das Abschlussprojekt der beiden Studenten, die sich auf Werbung spezialisiert haben. Die Idee der Multimedia-Kampagne ist es, Menschen auf die Ausbeutung von Arbeitern in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen. Aber eben anders, als Hilfsorganisationen das normalerweise tun: "Die Menschen sind an Spendenaufrufe gewöhnt", sagt Regisseurin Jessica Benzing, "hungernde Kinder werden einfach weggezappt." Mit Satire, denkt sie, "kann man Leute noch erreichen. Man trifft sie da, wo sie sich sicher fühlen."

"Der Clip ist makaber"

Mit dem Projekt wollen Benzing und Gerlach die Zuschauer zum Nachdenken bringen. "Wir verlangen nicht, dass die Leute nur noch in Jutesäcken rumlaufen. Es geht da um eine Grundeinstellung", sagt Benzing. Sie wünscht sich, dass Konsumenten zumindest darüber nachdenken, dass billige Produkte irgendwo herkommen. Und dass es einen Grund dafür gibt, dass sie so günstig sind.

Mit dem Clip, der im Kochstudio des Bayerischen Rundfunks in München gedreht wurde, gelingt das gut. Das Lachen, sagt Regisseur Maximilian Gerlach, bleibe den Leuten beim Zuschauen "im Hals stecken". Und seine Kollegin fügt hinzu: "Der Clip ist makaber. Und er polarisiert unglaublich."

"Wir sind keine Erzieher"

Das soll er auch: "Die Idee ist, dass sich jemand aufregt und ein anderer ihn aufklärt. Dass die Leute dadurch anfangen, über das Thema zu reden." Absichtlich haben Gerlach und Benzing ans Ende des Clips keine Informationen über die Arbeitsbedingungen in Nicaragua gestellt, denn "wir sind keine Erzieher".

In mehr als hundert Kommentaren wird das Video auf Youtube bislang schon diskutiert. Hunderte schauen sich den Clip jeden Tag im Netz an - fast 30.000 Mal wurde das Video inzwischen abgerufen. Und man kann annehmen, dass schon viele Menschen durch das bitterböse Internet-Video angesprochen wurden, die kaum von sich aus auf der Oxfam-Website vorbeisurfen würden.

Hier geht's zur Website von "Thank you third world".

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