Fünf Tage nach der tödlichen Messerattacke von Chemnitz ist bekannt geworden, dass einer der beiden Tatverdächtigen im Mai 2016 nach Bulgarien hätte abgeschoben werden können. Der 22-jährige Iraker Yousif A. soll zusammen mit einem 23-jährigen Asylbewerber aus Syrien am vergangenen Sonntag einen 35-jährigen Mann bei einer Messerattacke getötet haben. Beide sitzen wegen des Verdachts auf gemeinschaftlichen Totschlag in Untersuchungshaft.
Yousif A. war offenbar im Oktober 2015 über die Balkanroute nach Deutschland eingereist. Im April 2016 wurde sein Asylantrag abgelehnt, weil er zuvor bereits in Bulgarien einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Gegen diese Entscheidung klagte er. Am 13. Mai 2016 entschied das Verwaltungsgericht Chemnitz, dass seine Abschiebung zulässig wäre.
Nach Angaben des Verwaltungsgerichts wurde die Abschiebung aber nicht vollzogen. Weshalb nicht, ist bisher nicht bekannt. Nach einer Frist von sechs Monaten ging die Zuständigkeit für seinen Asylantrag auf die Bundesrepublik über. Damit war das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verpflichtet, erneut über den Asylantrag zu entscheiden.
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Im Sommer 2015 machten sich Hunderttausende auf den Weg nach Deutschland. Ihre Anwesenheit verlangt dem Land bis heute viel ab - politisch, kulturell, aber auch ganz praktisch. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Der junge Mann soll einem Bericht des Spiegel zufolge in seinem Asylverfahren gefälschte Dokumente vorgelegt haben. Eine Untersuchung des Bamf habe ergeben, dass zwei der vorgelegten Personaldokumente "Totalfälschungen" seien, heißt es. Der Asylantrag sei nun am 29. August abgelehnt worden, schreibt das Magazin - also nach der Messerattacke von Chemnitz. Das Bundesamt habe die Angaben des 22-Jährigen für unglaubwürdig gehalten. Yousif A. ist seit seiner Ankunft in Deutschland mehrmals straffällig geworden.
Am Freitagmorgen besuchte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) als erstes Mitglied der Bundesregierung nach dem Tod des Daniel H. die Stadt. Sie legte Blumen am Tatort nieder. Giffey rief auf dem Platz im Zentrum von Chemnitz zum Dialog und zu Besonnenheit auf. "Wir stehen zusammen dafür, dass Chemnitz und Sachsen mehr ist als brauner Mob und dass wir nicht aus dem Blick verlieren, was für Ostdeutschland wichtig und nötig ist", sagte die SPD-Politikerin. In den Tagen nach dem tödlichen Messerangriff war es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen vor allem von rechtsgerichteten Teilnehmern gekommen. Für den Samstag sind in Chemnitz erneut Großdemonstrationen geplant.
Unter dem Motto "Herz statt Hetze" will ein breites Bündnis am Nachmittag gegen Fremdenfeindlichkeit demonstrieren. Dazu werden führende Bundespolitiker erwartet. Die AfD ruft gemeinsam mit Pegida zu einem Schweigemarsch in Chemnitz auf. Weil die Polizei deswegen im Großeinsatz ist, wurde das ebenfalls für Samstag in Dresden angesetzte Fußball-Zweitligaspiel zwischen Dynamo Dresden und dem Hamburger SV abgesagt - "auf Weisung" des sächsischen Innenministeriums, wie die Deutsche Fußball-Liga am Freitagabend mitteilte.