Argentinien:Verzweiflung macht alles noch schlimmer

Argentinian President asks businessmen to invest in the country a

Argentiniens Präsident Mauricio Macri muss auch seine eigenen Fehler korrigieren, um die Wirtschaftskrise in Argentinien einzudämmen.

(Foto: dpa)

Die neue Politik von Argentiniens Präsident Macri wird die Wirtschaftskrise nicht entschärfen. Er muss dringend seine eigenen Fehler korrigieren, sonst gefährdet er den sozialen Frieden in Argentinien.

Kommentar von Boris Herrmann

An der Krise in Argentinien ist, glaubt man Staatschef Mauricio Macri, unter anderem das Wetter schuld. Das Land erlebte die schlimmste Dürre in 50 Jahren. Hinzu kamen steigende Erdölpreise und US-Zinsen, der Handelsstreit zwischen Washington und Peking, die starrköpfigen heimischen Gewerkschaften und natürlich seine Vorgängerin Cristina Kirchner. Im Grund alle, außer ihm selbst. Entscheidend ist aber: Wer glaubt eigentlich noch Macri?

Was Argentinien gerade durchmacht, ist vor allem eine Vertrauenskrise. In dem gleichen Tempo, in dem der Peso abstürzt, schwindet auch die Überzeugung der internationalen Anleger und der Argentinier, dass Macri die Lage im Griff hat. Jedes Mal, wenn er einen Krisenplan verkündet, sackt die Währung weiter ab. Was er tut, scheint nicht nur nichts zu nützen, sondern zu schaden.

Dabei ist Macris jüngster Sparplan alles andere als halbherzig: Argentinien will künftig nur noch so viel ausgeben, wie es hat. Klingt naheliegend, ist aber angesichts der fatalen Mischung aus rapider Inflation, hoher Auslandsverschuldung, Rezession und steigender Armut ein höchst schmerzhaftes Vorhaben. Der Staatschef geht voran und streicht über die Hälfte seiner Ministerien, darunter das für Gesundheit. Außerdem führt er jene Exportsteuer auf Agrarprodukte wieder ein, die er vor drei Jahren abgeschafft hatte. Damals war das auch ein Aufbruchssignal, die Steuer hatte sich seine Erzfeindin Kirchner ausgedacht.

Dass der Großunternehmer und Freihandelsfreund Macri nun meint, zur Kirchnerpolitik zurückkehren zu müssen, um die Währungskrise zu bekämpfen, zeugt vom Grad seiner Verzweiflung. Offensichtliche Verzweiflungstaten waren aber noch nie gut für das Investitionsklima. Macris Hoffnung ruht jetzt auf einem vorgezogenen Kredit des Internationalen Währungsfonds. Das führt zum nächsten Vertrauensproblem: Nirgendwo hat der IWF einen schlechteren Ruf als in Argentinien. Mit den Krediten samt ihren harten Auflagen ist dort ein nationales Trauma verbunden: die Staatspleite von 2001. Millionen Argentinier verloren damals ihre Ersparnisse. Als Präsident Néstor Kirchner die IWF-Schulden vorzeitig beglich, wurde das wie eine Unabhängigkeitserklärung gefeiert. Unter der Regentschaft seiner Witwe entwickelte sich der Mythos von der argentinischen Starrköpfigkeit.

Der alte Kampf zwischen Linkspopulismus und Neoliberalismus

Der Staat ganz unten links auf der Landkarte erschuf seine eigene kleine Welt und versuchte, abgekapselt von den internationalen Finanzmärkten zu existieren. Das klappte erstaunlich gut. Vielen Argentiniern ging es besser denn je. Allerdings war dieser Wohlstand ein staatlich subventioniertes Wohlgefühl. Jeder VWL-Student verstand, wie wahnsinnig das war.

Macri trat 2015 an, um aus Argentinien wieder ein "normales Land" zu machen. Aber Hunderttausende ganz normale Bürger sind dabei in die Armut gerutscht. Sie sehnen sich zurück nach dem Kirchner-Land, in dem die Steaks und die Stromrechnung noch bezahlbar waren. Argentinien ist Schauplatz für den alten Kampf zwischen Linkspopulismus und Neoliberalismus. Beide haben Schwächen, aber entlang dieser Konfliktlinie zerbricht gerade eine Gesellschaft. Macri kann das nur kitten, wenn er einen Spagat schafft. Er muss die Märkte beruhigen, ohne den sozialen Frieden im Land weiter zu gefährden. Eine vertrauensbildende Maßnahme hat er noch nicht ausprobiert: Selbstkritik.

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