"Smarte" Technologie:Wenn ein Hacker dafür sorgt, dass die Milch sauer wird

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Pepper, der humanoide Roboter aus Japan, ist mit Kulleraugen, Kunststoffhaut und Piepsstimme das menschliche Gesicht der schönen smarten Welt. Hier macht Pepper ein Selfie mit einem Bewunderer. (Foto: Toru Yamanaka/AFP)
  • Die Risiken, die "smarte" Technologien mit sich bringen, werden von Konsumenten wie Produzenten noch zu oft ignoriert.
  • Durch die direkte Internetanbindung sind smarte Systeme anfällig für Hackerangriffe und Manipulation.
  • Um den Problemen beizukommen, müssten Hersteller verstärkt in Sicherheit investieren. Wenn das nicht geschieht, sind Politik und Konsumenten gefragt.

Von Andrian Kreye

Smart ist ein schönes Wort, weil es einen so eleganten wie souveränen Umgang mit Wissen und Kompetenz andeutet. Smart ist aber vor allem ein Modewort der Industrie, die damit all jenen Elektro- und Haushaltsgeräten einen verbalen Glanz verleiht, die mittels Computerchips und Netzanschluss zum ominösen "Internet of Things", kurz IOT oder auf deutsch Internet der Dinge gehören.

Auf der gerade zu Ende gegangenen Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin wurde eine ganze Reihe solcher IOT-Produkte vorstellt. Kühlschränke, Waschmaschinen, Thermostate und sogar Matratzen sind inzwischen smart. Sie können melden, dass die Milch ausgeht, der Schleudergang in die letzte Runde geht, die Luft zu dick oder der REM-Schlaf zu unruhig ist.

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Smart hat inzwischen sogar ein Gesicht. Es wurde in Japan entwickelt und gehört dem Roboter Pepper. Mit seinen Kulleraugen, der elastischen weißen Kunststoffhaut und einer Piepsstimme wurde er nach dem japanische Niedlichkeitsprinzip des "kawaii" designt, mit dem die dortige Comic- und Trickfilmindustrie einen Welterfolg nach dem anderen landen konnte. In München und Tokio begrüßt Pepper am Flughafen Touristen. Auf Technikkonferenzen und -messen ist er ein beliebter Gast, weil er der Welt der Smart-Produkte ein so liebenswertes Gesicht verleiht. Geht es nach dem Willen seiner Schöpfer, wird Pepper bald schon die Schaltzentrale smarter Wohnungen, Betriebe und Pflegeheime sein.

Smarte Geräte zentralisieren den Konsum und stärken damit Monopole

Was das hübsche Wort und der niedliche Roboter vertuschen, sind jedoch Entwicklungen, die weder smart, noch putzig sind.

Smarte Geräte zentralisieren den Konsum und stärken damit Monopole. Der smarte Kühlschrank und das smarte Regal melden den Niedrigstand der Vorräte in der Regel einem einzigen Anbieter. Das Onlinewarenhaus Amazon hat sich schon eine Vormachtstellung gesichert.

Seit einiger Zeit schon kann man als Amazonkunde sogenannte Dash Buttons installieren. Tippt man auf so einen Knopf, liefert Amazon etwa Waschmittel, Druckerpatronen oder Kaffeepulver, auf Wunsch oder auch automatisch. Da der Dash Button den Kunden auf eine Marke festlegt, genießen Amazon und seine Zulieferer ein Höchstmaß an Kundentreue. Sicherlich kann man seinen Kühlschrank in Zukunft auch mit einem anderen Anbietern vernetzen. Man wird das sicherlich mit dem billigsten und schnellsten Lieferanten tun. Deswegen bietet etwa Amazon Lieferservice und Niedrigpreise mit Verlustquoten an. Der Einzelhandel wird da nicht mithalten können.

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Smarte Technologie beschleunigt Veraltungszyklen. Nichts wird so schnell überflüssig, wie elektronische und digitale Geräte. Wer zu Hause noch einen VHS-Rekorder, einen Minidisc-Player oder ein Smartphone der vorletzten Generation herumliegen hat, der bekommt eine Ahnung davon, was das bedeutet. Überträgt man diesen technologischen Alterungsprozess nun auf ein Eigenheim oder gar auf eine jener Smart Citys, die derzeit vor allem in asiatischen und arabischen Ländern entstehen, kann man die Kostenfallen schon abschätzen, die entstehen, wenn der nächste Technologieschub die Infrastruktur eines Hauses oder einer ganzen Stadt obsolet machen. Eines der Hauptargumente für smarte Häuser oder Städte ist zwar der Energiespareffekt. Das ist gut für die Umwelt und für die mittelfristige Haushaltsplanung. Langfristig aber zahlen die Bewohner solcher Konstrukte drauf. Auch die Umweltbilanz wird mit jedem "Update" solcher Infrastrukturen ins Minus rutschen.

Das größte Problem aber ist die Sicherheit. Es ist ein Naturgesetz: Je größer, je komplexer ein Netzwerk wird, desto anfälliger ist es. Wird das Internet auf jede noch so kleine Facette des Alltags ausgeweitet, werden die Gewohnheiten der Nutzer, wie die zu Konsumenten degradierten Bürger im digitalen Raum genannt werden, zu offenen Flanken in der Cyberwelt.

Hacker könnten bald dafür sorgen, dass die Milch sauer wird

Einen ersten Testlauf gab es schon. Im Herbst 2016 legte der Internetvirus Mirai (benannt nach der kulleräugigen japanischen Comicserie "Mirai Nikki") in Europa, Amerika und Asien weite Teile des Internets mit sogenannten "denial of service"-Angriffen lahm. Die funktionieren ganz einfach. Eine Armee von Bots, also Geräten mit Computerchips, überlasten die Infrastruktur einer Firma oder einer Regierung mit so vielen Millionen Anfragen, bis sie ihre Funktion aufgibt.

Das Mirai-Virus nutzte dabei die chronischen Sicherheitslücken des Internet of Things. Über eine Million Alltagsgeräte wie Babyfones, Festplattenrekorder und selbst Smart Toaster wurden vom Virus zu einer sogenannten Bot-Armee rekrutiert, die unablässig Anfragen an Firmennetze abfeuerten und so die Webstrukturen von unter anderen Twitter, Netflix und Air BnB lahmlegten.

Es ist also keine Science-Fiction-Paranoia wenn man annimmt, dass ein Hacker in naher Zukunft dafür sorgen könnte, dass in ganz Bayern die Milch sauer wird. Oder der Strom ausfällt. Oder die smarte Digitalgesellschaft zusammenbricht. Denn die Sicherheitslücken des Internet of Things sind groß.

Noch reden sich die Hersteller smarter Geräte damit heraus, die Technologie sei jung. Man arbeite am Problem. Doch das kostet Geld. Das wollen Firmen in der Regel verdienen, nicht ausgeben. Irgend jemand wird sie dazu zwingen müssen. Im besten Falle sind es die Konsumenten. Im schlimmsten Fall eine Katastrophe.

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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