Haidhausen:Sensibles Geflecht

Die bisherige Leiterin des Hauses der Eigenarbeit, Veronika Stegmann, hört auf. Ihr Nachfolger Rainer Wirth steht wegen der Unterfinanzierung bei sinkenden Zuschüssen vor großen Herausforderungen

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Rainer Wirth übernimmt künftig die Leitung des Hauses der Eigenarbeit (Hei) an der Wörthstraße. Für Wirth ist die Haidhauser Institution eine "Herzensangelegenheit", bei der er sich seit zwei Jahren als Werkstattleiter engagiert. Er übernehme ein Haus, in dem "sehr viel in sehr, sehr gute Bahnen gelenkt" sei, sagt Wirth. Auch deshalb geht es ihm zunächst darum, die besondere Atmosphäre im Hei "sensibel zu pflegen". Genauso wichtig ist ihm, dass das Hei weiterhin ein "Bürgerhaus für Haidhausen" bleibt. Im Hintergrund stehen allerdings weitreichende Entscheidungen an. So läuft der Mietvertrag für die Räumlichkeiten an der Wörthstraße zum Ende des Jahres 2022 aus, und das Hei braucht kurzfristig sowohl Geld als auch neues fest angestelltes Personal.

Die bisherige Leiterin Veronika Stegmann blickt auf drei "sehr, sehr intensive Jahre" im Hei zurück. Während sie dem Hei vorstand, wurde unter anderem das Gebäude verkauft. Vieles war damals ungewiss. "Ich habe manchmal nicht gewusst, ob wir am Ende des Jahres hier drin bleiben können." Das Hei konnte bleiben. Doch nun steigt die Miete jährlich, was unter dem Voreigentümer nicht vorgekommen war. Vor allem ihre letzten Monate als Leiterin waren von der angespannten Finanzlage des chronisch unterfinanzierten Hauses überschattet. Trotzdem steht für Stegmann am Ende ihrer Zeit vor allem ein Satz: "Das Hei ist toll." Sie wolle nun erst einmal Kraft tanken und - ganz wichtig - wieder selbst an die Werkbank.

Haidhausen: Noch arbeitet Veronika Stegmann ihren Nachfolger im Haus der Eigenarbeit ein. Wenngleich sie mit Rainer Wirth dabei - andersals auf dem Foto - mehr vor dem Computer als an der Werkbank ist. Die kennt Wirth als bisheriger Werkstattleiter aber ohnehin sehr gut.

Noch arbeitet Veronika Stegmann ihren Nachfolger im Haus der Eigenarbeit ein. Wenngleich sie mit Rainer Wirth dabei - andersals auf dem Foto - mehr vor dem Computer als an der Werkbank ist. Die kennt Wirth als bisheriger Werkstattleiter aber ohnehin sehr gut.

(Foto: Catherina Hess)

Wirth, der sich gerade noch in die Verwaltungsdokumente einarbeitet, hat also große Aufgaben vor sich. Vor allem muss er das finanzielle Fortbestehen des Hauses sichern. Bis 2021 werden etwa 41 000 Euro mehr Miete pro Jahr fällig, das Hei zahlt dann 75 Prozent mehr im Vergleich zu der bisherigen Miete. Das sei immer noch einigermaßen günstig, ordnet Stegmann ein. Eine finanzielle Mehrbelastung bleibt es allerdings. Zudem sank die finanzielle Unterstützung der Stadt. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft überwies für dieses Jahr 68 400 Euro, zuvor waren es noch 84 000 Euro gewesen. Und für kommendes Jahr stellt das Referat den Berechnungsschlüssel um, sodass noch etwa 48 000 Euro übrig bleiben werden. Zusätzlich unterstützt das Kulturreferat das Haus mit jährlich 22 000 Euro. "Die Förderlücke für 2019 beziffern wir auf 70 000 Euro", sagt Wirth. Die "weitere Finanzkonsolidierung" ist daher für Wirth ein zentrales Ziel. Momentan führe man Gespräche mit der Stadtverwaltung, bei denen "wir sehr viel Wertschätzung erfahren". Es gebe zwar noch keine Entscheidung, doch er sei optimistisch. Auch darüber, dass er eine neue halbe Stelle im Hei schaffen kann. Das "Team arbeitet am Anschlag", sagt er.

Nun wären das sicherlich Gründe, das Haus nicht zu übernehmen. Doch die Lust auf diese komplizierte Aufgabe überwog bei Wirth. Sie "reicht, um einen unbefristeten Job zu kündigen". Zuvor arbeitete er bei der Stiftung Bildungszentrum Erzdiözese München und Freising im Veranstaltungsmanagement und der Marketingabteilung. Diese Lust erklärt sich auch mit der "Initialzündung", Wirths erstem Besuch im Hei vor acht Jahren. Er musste damals sein Fahrrad reparieren, und zu Hause fehlte ihm dafür ein Schraubstock. Schon beim ersten Betreten der Werkstatt fühlt er sich dort wohl. "Sofort gab es da dieses Gemeinschaftsgefühl." Dabei faszinierte ihn vor allem, dass sich das "ganze gesellschaftliche Spektrum" zusammenfindet. Vom Obdachlosen bis zum hochrangigen Angestellten von Dax-Konzernen träfen sich unterschiedliche Milieus an der Wörthstraße - und jeder helfe sich gegenseitig mit kleinen Handgriffen und Tipps. "Diese integrative Leistung ist das, was wir der Stadt geben können." Das will er unbedingt bewahren, dieses "Demokratische", wie er es nennt. Etwa 2500 Besucher nutzten die Werkstattplätze im vergangenen Jahr. Die Werkstattmieten und Kurspreise will Wirth unbedingt auf dem bisherigen Niveau halten. "Sonst haben wir ja nur noch die Besserverdienenden hier."

Heimwerkerkurs im Haus der Eigenarbeit in München, 2010

Im Hei wird fleißig gedübelt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei all seinen Entscheidungen habe er zudem die Möglichkeit im Hinterkopf, dass das Hei in nicht ganz fünf Jahren vielleicht umziehen müsse, sagt Wirth. Dann läuft der jetzige Mietvertrag aus. "Wir haben keine Information, was mit der Immobilie passieren wird", sagt er. Mit einem möglichen Umzug werde sich unweigerlich auch das Profil ändern. Bis diese Entscheidung ansteht, will er das Kursangebot punktuell erweitern, "Edelsteine sammeln". So will er zum Beispiel einen Kurs zum Bauen von Fahrradrahmen anbieten.

Noch ist es aber nicht so weit, noch arbeitet Veronika Stegmann ihren Nachfolger ein. Sie wird dem Hei übrigens treu bleiben. "Ich freue mich darauf, das Hei jetzt auch wieder zu nutzen", sagt die scheidende Leiterin. Als erstes will sie ein Stuhlgeflecht erneuern.

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