Neuschwanstein:Schloss mit lustig

Neuschwanstein: Macht sich sicher gut an der Wohnzimmerwand, dieses märchenkönighafte Bild. Oder darf's doch lieber die König-Ludwig-Quietscheente sein?

Macht sich sicher gut an der Wohnzimmerwand, dieses märchenkönighafte Bild. Oder darf's doch lieber die König-Ludwig-Quietscheente sein?

(Foto: mauritius images)
  • Der Europäische Gerichtshof hat jetzt am Donnerstag entschieden: "Neuschwanstein" bleibt eine geschützte Marke des Freistaats Bayern.
  • Die Richter lehnten somit eine Klage des Bundesverbands "Souvenir - Geschenke - Ehrenpreise" ab.
  • Der Gerichtshof (EuGH) bestätigte im Grunde das Urteil eines anderen europäischen Gerichts, welches für Streitigkeiten im Markenrecht zuständig ist.

Von Johann Osel

Schüttelgläser, Schlüsselanhänger, Windlichter und Gürtelschnallen mit Aufdruck "Neuschwanstein" und der Ansicht des Königsschlosses; Nagelfeilen, Kühlschrankmagneten, Senfgläser, Visitenkartenetuis, Regenschirme, Kapuzenpullis, Weißwurstkessel oder Plastikenten für die Badewanne - der Krimskramsmarkt mit allem, was mit dem "Märchenkönig" Ludwig II. und Schloss Neuschwanstein bei Füssen im bayerischen Allgäu zu tun hat, floriert prächtig. Am und um das Schloss, in ganz Bayern, dazu im Netz. Postkarten sind da fast schon Nischenprodukte. Kaum verwunderlich ist es daher, dass darüber juristischer Streit entbrannt ist. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt am Donnerstag entschieden: "Neuschwanstein" bleibt eine geschützte Marke des Freistaats Bayern. Die Richter lehnten somit eine Klage des Bundesverbands "Souvenir - Geschenke - Ehrenpreise" ab.

Der Gerichtshof (EuGH) bestätigte im Grunde das Urteil eines anderen europäischen Gerichts, welches für Streitigkeiten im Markenrecht zuständig ist. Die Branchenvertreter hatten von Anfang an die Anmeldung der Marke durch den Freistaat abgelehnt. Ihr Argument: "Neuschwanstein" bezeichne eine geografische Herkunft und sei daher nicht schützbar. Nach EU-Recht sind Marken, die ausschließlich auf den Herstellungsort einer Ware hinweisen, von der Eintragung ausgeschlossen, weil der Ort dadurch vereinnahmt würde. Daher wollte der Verband die 2011 europaweit eingetragene Marke löschen lassen. Das Schloss könne "zwar geografisch lokalisiert, aber nicht als geografischer Ort angesehen werden", befanden die Richter in der ersten europäischen Instanz. Vielmehr gleiche es einem Museum und diene der Bewahrung des Kulturerbes. Die EuGH-Richter teilten diese Auffassung. Mit dem Namensrecht kann Bayern nun entscheiden, welche Hersteller auf welche Waren "Neuschwanstein" drucken dürfen.

Der Konflikt schwelt schon seit mehr als einem Jahrzehnt - auch vor Gerichten in Deutschland und bei Patentämtern. Ob das jetzt wirklich der letzte Akt war, bleibt allerdings fraglich. So ist laut Deutscher Presse-Agentur noch ein Antrag des Souvenirverbands offen, die Markenrechte zu löschen - gestellt bereits vor dem Urteil. Es geht um eine Marke mit weltweiter Strahlkraft. Das Schloss, das von 1869 an im Auftrag Ludwigs II. errichtet wurde, trägt sehr zur glänzenden Touristikbilanz Bayerns bei. Vergangenes Jahr zählte man dort fast 1,5 Millionen Besucher. Zum Vergleich: Im ebenfalls bekannten Schloss Herrenchiemsee waren es 378 000. Ludwig selbst wäre solch ein Trubel wohl ein Graus gewesen, galt er doch als menschenscheu. Ihm war das "Menschentum mit dem konfusen und rohen Treiben zu abhold", heißt es treffend im Roman "Majestät" des Schriftstellers Michael Georg Conrad von 1902. Allerdings ist gerade die eigene Welt, die Ludwig im tiefen Süden fernab der Münchner Residenz bauen ließ, Grund für die Beliebtheit: das Prunkvolle, mehr noch das Romantische, oder wie Conrad den König zitiert, das Schloss als "Symbol siegender Seelengröße in Lust und Leid". Da nimmt man gerne eine Erinnerung mit in den hektischen Alltag, etwa in Kerzen- oder Sockenform. Oder man will einfach irgendwie festhalten, dass man dort war. Das Schloss zu genießen, ist freilich schwierig, wenn man zum Beispiel als Tourist aus Asien hurtig durchgeschleust wird, um alsbald per Bus das nächste Stück Deutschland zu bereisen.

Dass der Freistaat "Neuschwanstein" als europäische Marke habe schützen lassen, ziele nicht auf Gewinne ab

Zuletzt hat man in Bayern gar über eine Obergrenze debattiert: 6000 Schlossbesucher pro Tag. In der Hochsaison sind es oft tausend mehr. Es blieb bei der Debatte, gleichwohl stellte das zuständige Finanzministerium klar, dass die alten Möbel und Textilien unter den Horden ebenso leiden wie unter dem alpinen Klima und dem Licht. Auch deswegen wird im Schloss aktuell restauriert: 93 Räume, 355 Möbel, 228 Textilien und Lederobjekte, 322 Stück Kunsthandwerk sowie 664 Fenster und Außentüren sollen von Experten behandelt werden, Tragwerke sind zu überprüfen, eine Lüftungsanlage bei den Kunstwerken wird es geben. 20 Millionen Euro soll das kosten. Kann man da Geld, das über Markenrechte reinkommt, gut gebrauchen?

Dass der Freistaat "Neuschwanstein" als europäische Marke habe schützen lassen, ziele nicht auf Gewinne ab, hieß es sinngemäß am Donnerstag aus der Schlösser- und Seenverwaltung. Vielmehr gehe es darum, sagte Sprecherin Cordula Mauß, "Missbrauch und Verunglimpfung vom bedeutenden Kulturdenkmal Neuschwanstein sowie dessen kommerzielle Ausbeutung abzuwenden". Nur so könne man Besuchern ein "qualitätsvolles Angebot vom Schlossbesuch bis zum Andenken gewährleisten". Den Maßstab setze man auch bei Lizenzvergaben, die es "bereits" gebe; offenbar geht der Freistaat peu à peu auf Hersteller zu und schließt Verträge. Noch 2017 hatte das Ministerium betont, es sei nicht geplant, für die Marke Lizenzgebühren zu verlangen. Details fallen unter das Geschäftsgeheimnis, so Mauß. Der Markenschutz entspreche dem Standard internationaler Top-Sehenswürdigkeiten - wie bei der Alhambra von Granada oder Buckingham Palace.

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