SZ-Serie "Dachauer Oasen", Folge 11:Ferieninsel hinter Hecken

SZ-Serie "Dachauer Oasen", Folge 11: Wer so viel Arbeit in seine Gartenanlage steckt wie Peter Kopke in Karlsfeld, wird für seine Mühen reichlich belohnt.

Wer so viel Arbeit in seine Gartenanlage steckt wie Peter Kopke in Karlsfeld, wird für seine Mühen reichlich belohnt.

(Foto: Toni Heigl)

In der Kleingartenanlage Karlsfeld erfüllen sich viele Mieter den Traum vom eigenen Garten. Der Anbau von Obst und Gemüse spielt dabei oft nur noch eine Nebenrolle: Im Sommer gleichen die weitläufigen Parzellen blühenden Freizeitoasen

Von Julia Haas, Karlsfeld

Zwei bis drei Anrufe bekommt Peter Kopke pro Woche. Am anderen Ende der Leitung sind Leute, die sich einen Kleingarten in Karlsfeld wünschen. Einen Kleingarten, wie ihn auch Peter Kopke schon seit mehr als 20 Jahren pflegt. Seit April ist er nun auch Vorstand im Kleingartenverein Karlsfeld. Auf der Warteliste für einen Schrebergarten in der Nähe des Karlsfelder Sees stehen momentan 40 Namen. "Bis man einen bekommt, kann es Jahre oder auch nur ein paar Monaten dauern", erzählt er, die Nachfrage sei sehr hoch, und wer einmal einen bekomme, wolle ihn auch nie mehr hergeben. Die Interessenten sind laut Kopke keine Rentner, sondern 30- bis 40-Jährige, oft mit Kindern. Die meisten wohnen in Mietwohnungen und hätten gerne ein Stück Natur für sich.

Peter Kopke entschied sich damals aus denselben Gründen für einen Kleingarten. Den ganzen Sommer verbringt er seither mit seiner Familie dort. Seine Schwiegereltern gehen hier ein und aus, ebenso seine zwei Söhne mit Freundin und Frau, auch das erste Enkelkind tobt schon über die Wiese. "Der Garten ist perfekt für unsere Familientreffen", sagt der 66-Jährige. Am Eingang seines mehr als 800 Quadratmeter großen Grundstücks steht eine Holzhütte, vor einigen Jahren haben sie sie in zarten Blautönen gestrichen. Unter den Fenstern hängen Blumen. Vor dem kleinen Haus liegt eine Veranda, deren Decke mit Weinreben bewachsen ist. Außerdem haben die Kopkes einen Teich, einen kleinen Wasserlauf, ein Gewächshaus, viele Sitzgelegenheiten, eine Hollywoodschaukel, sogar einen Pool gibt es. "Für die Kinder", erklärt Kopke. Das Gartenhaus ist voll ausgestattet: eine Couch, eine Küchenzeile, ein Esstisch und ein Bad mit Dusche.

Langfristig dort zu wohnen, ist in Kleingärten aber nicht erlaubt. Diese Regel gilt auch beim Kleingartenverein Karlsfeld. Kopke und seine Familie kochen gerade im Sommer jeden Tag in ihrer Parzelle. "Wir führen einen Doppelhaushalt", sagt er. Zum Schlafen fahren sie in ihre Wohnung. Im Gegensatz zu anderen Kleingartensiedlungen geht es in Karlsfeld ansonsten sehr liberal zu, die Regeln sind hier vergleichsweise locker. Strenge Gartenordnungen besagen etwa, dass Pächter mindestens ein Drittel der Anbaufläche mit Obst oder Gemüse bepflanzen müssen. Auch das Anbringen von Mauern, Zäunen und Sichtschutz ist vielerorts verboten, ebenso die Haltung von Tieren.

Eine Hecke haben die Karlsfelder Kleingärtner eigentlich alle. Auch Tore und Sichtschutzwände sind weit verbreitet. An vielen Gartenzäunen hängt ein Schild: Achtung vor dem Hund. "Wir sind eher eine Freizeitgartenanlage", sagt Kopke. In seinem Garten steht kein einziger Obstbaum. In anderen Gärten sind es dafür umso mehr. Neben Trampolinen, Schaukeln, Steinöfen, Statuen, Rosen und Hängematten. Von akkuratem englischem Rasen bis hin zu einem romantischen Wohlfühlparadies im Grünen findet sich alles in der Kleingartenanlage. Das Wichtigste ist dem Verein, dass die Pächter oder Eigentümer die Kleingärten pflegen. In vorderster Reihe verwuchert gerade eine Parzelle. Die Pächter sind gestorben, die Söhne kümmern sich nicht sehr darum. "Ein Schandfleck", schimpft Kopke. Ein bisschen Ordnung muss eben doch sein.

Garten an Garten, Hecke an Hecke, viele Menschen auf engstem Raum. Das birgt auch viel Potenzial für Streitigkeiten. Als Vorstand muss Peter Kopke immer wieder als Vermittler auftreten, das sei zum Glück aber selten und die Auslöser seien eher Kleinigkeiten: Mal versperrt ein Auto den Weg, mal sind die Nachbarn zu laut. Dass ein Kleingarten etwas Spießiges sei, weist Kopke vehement als Vorurteil zurück, auch wenn man beim Spaziergang durch die Anlage hier und da auch da mal auf einen Gartenzwerg stößt. "Ich halte mich überhaupt nicht für spießig", sagt Kopke. Er könne jedem nur raten, so einen Garten zu bewirtschaften, "es ist einfach ein Erlebnis". Zudem sei ein Kleingarten recht preisgünstig. Etwa 1300 Euro Pacht kostet die Parzelle im Jahr. Wer einen Garten übernimmt, muss den geschätzten Wert der Hütte, der Pflanzen und möglicherweise des Inventars vom Vorbesitzer ablösen. "Aber die Investition bekommt man tausendfach zurück", schwärmt Kopke.

Seine Begeisterung hat sicherlich dazu beigetragen, dass er den Vorstandsposten im Kleingartenverein übernommen hat. Während der Andrang bei den Gärten groß ist, will sich der Vereinsarbeit leider kaum einer annehmen. Einen Schriftführer oder eine Schriftführerin sucht der Verein noch immer. Interessenten auf der Warteliste, die sich ehrenamtlich einbringen wollen, können übrigens bei der Vergabe der Gärten bevorzugt werden, so steht es in der Karlsfelder Kleingartenordnung. Auch über Handwerker freut sich der Verein. Ansonsten sei natürlich jeder willkommen, solange er Lust auf Gartenarbeit habe und kein totaler Einzelgänger sei, sagt Kopke. Nicht umsonst engagiert sich ein Vergnügungsausschuss im Verein. Egal ob Sommerfest, Kürbisschnitzen oder Nikolaus. "Gerade für Kinder wird viel angeboten", sagt Kopke. Die Teilnahme sei natürlich freiwillig, genauso wie der Kontakt mit den Nachbarn. "Wer nicht will, kann bei uns auch seine Ruhe haben."

Vor Kopkes Garten knirscht der Kies, ein Auto hält, sein Sohn steigt gemeinsam mit seiner Freundin aus, sie kommen zum Essen. Wenn seine Eltern nicht mehr können, will er den Kleingarten weiterführen. Jetzt gibt es aber erst mal Spaghetti.

Ein paar Gärten weiter dörrt Manfred Rochelt seine letzten Äpfel. Die anderen hat er zum Mosten gefahren. In seinen Hochbeeten wachsen Cocktailtomaten. Im unteren Beet hat er dieses Jahr zum ersten Mal Basilikum ausgesät. Den Garten haben er und seine Frau erst vor etwa drei Jahren übernommen. Das Ehepaar ist für die Familie vom südlichen Schwarzwald nach Dachau gezogen. Beide Kinder leben hier samt Anhang und Enkeln, also haben die Rochelts ihr Haus mit Garten verkauft, ihre Freunde in 500 Kilometer Entfernung zurückgelassen und sind nach Dachau in eine Mietwohnung gezogen. Wenn sie nun auch einen wunderschönen Balkon haben, den eigenen Garten habe Rochelt immer vermisst - zum Glück nicht sehr lange.

"Die Leute fragen mich immer, wie ich so schnell an einen Kleingarten kommen konnte", erzählt er. Bei ihm sei es einfach Glück gewesen. Niemand auf der Warteliste wollte den Garten 610 zu dem Zeitpunkt haben. Und so kann Rochelt sich jetzt wieder dem ökologischen Gartenbau widmen. Sein ganzer Stolz ist der Komposthaufen. Er lässt die dunkelbraune Erde durch seine Finger rinnen. "Das ist doch ein Wunder, dass so perfekte Erde aus, ja im Grunde Abfall entstehen kann."

Bei so viel Enthusiasmus schmerzt ihn auch der Verkauf seines Campingbusses nicht mehr so sehr. "Wir haben damals gesagt Campingbus oder Kleingarten, beides ist zeitlich einfach nicht drin." Viele Leute unterschätzten, wie viel Arbeit ein Garten mit 400 bis 500 Quadratmetern macht und übernehmen sich. Für Rochelts war es die richtige Entscheidung, sie sind glücklich in ihrem Kleingarten - auf ihrer Terrasse steht sogar ein Whirlpool. "Mir gefällt's besser als ein Haus mit Garten", sagt Manfred Rochelt. Wenn der Garten zum Haus gehört, könne man nie richtig abschalten. "Da wird dann zwischendrin doch mal die Waschmaschine befüllt."

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