Rechtsextreme Ausschreitungen:Maaßen relativiert Aussage zu Vorfällen in Chemnitz

  • Verfassungsschutz-Chef Maaßen hat in einem Bericht an das Innenministerium seine umstrittenen Äußerungen über rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz erklärt.
  • Maaßen zweifelt nun nicht mehr an der Echtheit eines Videos, das ausländerfeindliche Gewalt zeigt.
  • Allerdings soll der stark kritisierte Geheimdienstchef laut Spiegel nun den Medien vorwerfen, das Video vorschnell verbreitet zu haben.

Von Constanze von Bullion und Ronen Steinke, Berlin

Mit einer rhetorischen Volte hat der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, seine Zweifel an der Echtheit eines Beweisvideos für ausländerfeindliche Gewalt vor zwei Wochen in Chemnitz relativiert. Am Freitag hatte Maaßen die Theorie aufgestellt, das Video sei gefälscht. "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist", hatte er der Bild-Zeitung gesagt. Am Montag erklärte er in einem Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nun: Das Video sei nicht gefälscht. Er sei falsch verstanden worden.

Zweifel, so Maaßen, seien angebracht, ob das Video "authentisch" eine Menschenjagd zeige. Dies habe er mit seiner Kritik gemeint. Maaßen hatte mit seinen Äußerungen in der Bild-Zeitung erhebliche Irritationen ausgelöst, Seehofer hatte deshalb von ihm einen erklärenden Bericht eingefordert. Ob ihm Maaßens Erklärung nun genüge, wollte Seehofer zunächst nicht sagen: "Solche Dinge muss man sorgfältig machen."

Maaßens Reaktionen hatten zu Irritationen auch innerhalb der Bundesregierung geführt. Der Verfassungsschutzpräsident hatte die Auffassung vertreten, zu "Hetzjagden" sei es nicht gekommen. Damit widersprach Maaßen der Bundeskanzlerin, einen Beleg für seine Einschätzung blieb er schuldig. Die Bundestagsopposition hatte den Vorgang scharf kritisiert. Falls Maaßen keine Beweise vorlege, müsse er zurücktreten, forderten führende Politiker von FDP, Linken und Grünen.

Seibert: Staatliches Gewaltmonopol verteidigen

Zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Tod eines Mannes im sachsen-anhaltinischen Köthen am Wochenende und Protesten dort empört über das aggressive Auftreten rechtsextremistischer Gruppen gezeigt. Es sei "zu offen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Das muss uns betroffen machen und empören." Auch der Angriff auf ein jüdisches Restaurant im sächsischen Chemnitz erschüttere die Bundesregierung. In Deutschland würden "zunehmender Rechtsradikalismus", "besorgniserregender Antisemitismus", aber auch "Gewaltverbrechen, die von einzelnen Flüchtlingen begangen werden", zur Herausforderung. Das staatliche Gewaltmonopol sei "zu verteidigen".

Am Samstag war ein 22-Jähriger in Köthen an Herzversagen gestorben - nach einer Schlägerei mit zwei afghanischen Asylbewerbern. Beide wurden wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in U-Haft genommen. Nach dem Tod des Mannes hatten sich 2500 Demonstranten in Köthen zum "Trauermarsch" versammelt. Dabei kam es zu Sprechchören wie "Nationaler Sozialismus, jetzt, jetzt, jetzt!". Die Thüringer Linkspartei erstattet Anzeige gegen den ehemaligen NPD-Kader David Köckert wegen Volksverhetzung. Er hatte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung als "Rassenkrieg gegen das deutsche Volk" bezeichnet.

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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen03:04
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Hans-Georg Maaßen
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