Ernährung:Der Hunger wird größer

Hungersnot im Jemen

Ein vierjähriges Mädchen in Jemens Hauptstadt Sanaa wird in einem Krankenhaus gewogen. Millionen von Menschen können sich in dem Bürgerkriegsland nicht ernähren, seit Monaten herrscht dort eine akute Hungersnot.

(Foto: dpa)
  • Die Zahl der weltweit hungernden Menschen steigt weiter an. 22 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren leiden unter Wachstumsverzögerungen.
  • Das Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis zum Jahr 2030 abzuschaffen, rückt in weite Ferne.
  • Kriege und die Folgen des Klimawandels tragen zur Unterernährung bei. Auch das in vielen Ländern fast ungebremste Bevölkerungswachstum spielt eine Rolle.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Jeder neunte Bewohner der Erde hat zu wenig zu essen. Und nach Angaben der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO wird die Zahl weiter steigen. Nachdem 2016 weltweit 804 Millionen Menschen unterernährt gewesen seien, waren es im vergangenen Jahr bereits 821 Millionen, wie die FAO am Dienstag in Rom mitteilte. "Diese Botschaft sollte der Welt Angst einjagen", sagte David Beasley, der Leiter des Welternährungsprogramms (WFP), das an dem Bericht beteiligt war.

Jahrelang war die Zahl der hungernden Menschen gesunken, bis zum Jahr 2030 wollen die Vereinten Nationen den Hunger auf der Welt eigentlich ganz abschaffen. Doch dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt, denn seit drei Jahren steigt die Zahl der an Hunger leidenden Menschen wieder an. Während sich die Lage in Asien verbessert hat, wird die Versorgung in vielen Teilen Afrikas und Lateinamerikas schlechter: Weltweit 22 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren - insgesamt 151 Millionen - leiden unter Wachstumsverzögerungen.

Neben gewaltsamen Konflikten tragen nach Ansicht der Vereinten Nationen die Folgen des Klimawandels verstärkt zur Unterernährung bei. Regenzeiten fallen vor allem in Afrika immer öfter aus oder verschieben sich, es kommt zu Dürren und Ernteausfällen. "Klimaveränderungen spielen heutzutage so eine gewaltige Rolle, dass wir zurückfallen, dass wir die positiven Entwicklungen, die wir bislang gesehen haben, zurückdrehen", sagte FAO-Direktor José Graziano da Silva.

Die Region Ostafrika hatte zuletzt drei Dürrejahre hintereinander erlebt, Ernten fielen komplett aus, Hirten verloren ihre Herden. In Somalia und Südsudan wird das Problem zudem durch gewaltsame Konflikte verschärft, in vielen Ländern tun korrupte oder inkompetente Regierungen wenig, um die Ernährungslage ihrer Bevölkerung zu verbessern. Dazu kommt ein in vielen Ländern fast ungebremstes Bevölkerungswachstum. Die Bevölkerungszahl Afrikas wird sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden verdoppeln, zugleich haben sich die Anbaumethoden in der Landwirtschaft jedoch kaum verändert. Boden, der zu bewirtschaften ist, wird in vielen Ländern knapp.

Dennoch unternehmen die meisten Regierungen wenig, um das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen. Dieses liegt in vielen Staaten über dem Wirtschaftswachstum, was dazu führt, dass immer mehr Menschen mit immer weniger Arbeitsplätzen, Land, Geld und Essen auskommen müssen. Doch viele Politiker zeigen sich trotz dieser Entwicklung nicht einsichtig. "Diejenigen, die Familienpolitik betreiben, sind einfach faul", sagte Tansanias Staatschef John Magufuli am Montag und rief seine Bevölkerung dazu auf, auf Verhütungsmittel zu verzichten.

Zu Beginn seiner Unabhängigkeit 1961 lebten in Tansania zehn Millionen Menschen, heute sind es bereits 55 Millionen. Und obwohl das Land nicht zu den am schlechtesten regierten gehört, nimmt die Zahl der Hungerleidenden auch dort zu. Was Magufuli aber nicht zum Umdenken brachte. Im Gegenteil, er hat beobachtet, dass in westlichen Ländern die Bevölkerung schrumpft, das soll Tansania nicht passieren. Kriegt mehr Kinder, rief er seinen Landsleuten deshalb zu. Als er das sagte, stand die Repräsentantin des UN-Bevölkerungsfonds neben ihm. Deren Mitarbeiter versuchen, Afrikas Regierungen zu mehr Familienplanung zu überreden. Bisher mit wenig Erfolg.

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