Öffentlicher Nahverkehr:Der MVV darf nicht auf Söders Versprechen warten

Die Tarifreform abzublasen, ist falsch. Zumal ausgerechnet mit Geld spekuliert wird, das zu zahlen sich der Freistaat bislang beharrlich geweigert hat.

Kommentar von Kassian Stroh

Die MVV-Tarifreform ist erst einmal gestorben. Gescheitert an partikularen Interessen, daran, dass sich viele Menschen im direkten Münchner Umland benachteiligt sahen. Gescheitert aber auch an dem zu oft erhobenen Anspruch, das komplizierte Ticketsystem einfacher und gerechter zu machen, ohne dass es weniger Einnahmen gibt und ohne dass jemand mehr bezahlen muss. Das geht nicht. Der gefundene Kompromiss wäre ein gangbarer Weg gewesen - im Sinne des großen Ganzen, aber halt nicht im Sinne derer, die mehr hätten zahlen müssen.

Schade. Und es stellt sich die Frage, wie eigentlich jemals das MVV-Gebiet in Richtung Rosenheim oder Augsburg zum Beispiel ausgedehnt werden könnte, wenn es nicht einmal in den bestehenden Grenzen reformfähig ist. Noch problematischer ist allerdings, wen sich die führenden MVV-Vertreter nun als Retter auserkoren haben: Ministerpräsident Markus Söder, der am Freitag im Rahmen seiner aktuell laufenden Wahlkampftournee einen neuen Schlager komponiert hat - ein 365-Euro-Jahresticket für Bayerns große Verkehrsverbünde.

Das klingt zu schön, um wahr werden zu können. Das risse ein tiefes Loch in die Kassen des MVV, und stopfen soll es wer? Der Freistaat, der Bund, die Kommunen? Und wie weit wird das Ein-Euro-pro-Tag-Ticket gelten? Und ab wann? Ab dem Jahr 2030 erst, wie Söder gesagt hat? Das sind zu viele offene Fragen, als dass man wegen einer solchen Idee, so gut sie sich auf dem Papier liest, eine Tarifreform abblasen sollte. Das heißt nämlich vermutlich: sie auf Nirgendwann verschieben.

Zu Beginn der Verhandlungen über die Reform gab es eine Idee, wie die erwähnten, sich widerstrebenden Ansprüche in Einklang gebracht werden könnten: indem der Freistaat die Einnahmeausfälle kompensiert. Das zu tun, hat sich die Staatsregierung aber kategorisch geweigert. Dass dieselbe mit ihrem Geld nun alles retten wird, ist bislang nicht mehr als eine viel zu vage Hoffnung.

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:Söder-Ticket bremst MVV-Reform

Weil der Ministerpräsident irgendwann eine Jahreskarte für 365 Euro einführen will, wollen mehrere Landkreise das mühselig ausgehandelte neue Tarifsystem wieder auf Eis legen.

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