Hohenschwangau:Im Dienste Ihrer Märchenmajestät

EuGH entscheidet über Markenrecht an ´Neuschwanstein"

Für Armin Lang war es immer wichtig, dass seine Ware - vom Krügerl bis zur Kuckucksuhr - gute Qualität ist.

(Foto: dpa)

Mehr als 30 Jahre hat Armin Lang am Fuß von Schloss Neuschwanstein Andenken und Kitsch mit Ludwig II. verkauft. Nun hört er auf.

Von Christian Rost

Beate Grimm führte jahrelang ein Reisebüro im Königswinkel, wie die Region im Allgäu zu Füßen des Schlosses Neuschwanstein genannt wird. Mit Touristen kennt sie sich also aus. Vor vier Jahren hat sie kapituliert und ihre Agentur wegen der Internet-Konkurrenz aufgegeben, seither hilft sie tageweise im Souvenirshop an der bekanntesten Sehenswürdigkeit Deutschlands aus: Neuschwanstein, im Laden von ihrem langjährigen Freund aus Kindertagen, Armin Lang.

Bis zu 20 000 Menschen laufen dort täglich vorbei, eine halbe Stunde auf dem Fußweg rauf zum Schloss, dann wieder zurück nach Hohenschwangau. An diesem Vormittag bleiben zwei US-Amerikaner im Studentenalter an der Auslage mit Filzhüten, Postkarten und Bierkrügen stehen, die natürlich mit den Motiven Neuschwanstein und dem Konterfei des Märchenkönigs versehen sind. Der eine Tourist greift sich ein Kinderschwert, der andere einen Degen aus Holz - auch das gibt es in den Shops am Schloss zu kaufen, schließlich wurde Neuschwanstein als idealisierte Ritterburg für Ludwig II. errichtet. Als sich die jungen Männer dann spaßeshalber für ein Duell positionieren, geht Grimm dazwischen: "We are not in the Kindergarden", pfeift die beiden zurück und nimmt ihnen die Waffen ab. Ja, wer an einem so exponierten Ort arbeitet, muss manchmal ziemlich resolut sein, damit die Ordnung in der Märchenwelt nicht völlig aus den Fugen gerät.

Das macht man vielleicht ein paar Jahre mit, oder sogar Jahrzehnte, wie der Betreiber des Shops, Armin Lang. Nun hat der bald 63-Jährige aber genug vom Rummel. Nach mehr als 30 Jahren sozusagen in den Diensten des Märchenkönigs hört er auf: "Es reicht", sagt Lang, am 1. Dezember ist Schluss, er geht in Rente. Seine Großeltern hatten den Laden 1934 gepachtet, seither wird er von der Familie geführt. Lang stellt die dritte Generation und ist, trotz des Trubels tagein, tagaus von morgens um acht bis abends um sieben, ein ausgeglichener, zugewandter Mensch geblieben. Er erzählt so unaufgeregt aus einem Leben, dass man meint, er verdinge sich irgendwo auf einer abgelegenen Alm und müsse sich nur selten mit seinen Mitmenschen herumschlagen. Doch genau das Gegenteil ist bei diesem tiefenentspannten Mann der Fall.

Hohenschwangau: Armin Langs Großeltern hatten den Laden im Jahr 1934 gekauft.

Armin Langs Großeltern hatten den Laden im Jahr 1934 gekauft.

(Foto: Christian Rost)

Sein Großvater war tatsächlich noch Hirte in den Bergen, und nebenbei baute er den Laden auf. Armin Lang stand indes von Kindesbeinen an hinter dem Verkaufstresen und lernte, "für welchen unsäglichen Mist sich Neuschwanstein vermarkten lässt". Kitschpostkarten und geschmacklich völlig verunstaltete Keramiken wurden und werden angeboten, um den Touristen im Königswinkel das Geld abzuknöpfen. Auch in seinem Souvenirshop gibt es Dinge, die sicher nicht jedermann gefallen. Lang betont aber, er habe sich über die Jahre eine Nische geschaffen zwischen den anderen, rund zehn Läden am Ort, die ebenfalls mit Mitbringseln handeln. "Ich achte darauf, dass ordentliche Bilder auf meinen Sachen drauf sind." Ware aus China nehme er nicht ins Sortiment auf. Die sei oft minderwertig, er besorge sich seine Glasartikel in Frankreich und lasse sie in Deutschland bedrucken. Wenn schon Kitsch, dann wenigstens aus grundsolider, handwerklicher Fertigung. Ausgerechnet die deutschen Kunden schätzten das am wenigsten, sagt Lang.

Über die Jahre lernte er die Menschen kennen, die aus aller Welt und jetzt vor allem aus China kommen und sich auf den Spuren des traurigen Königs bewegen, der sein Neuschwanstein vor seinem Tod nicht vollenden konnte. Langs Eltern erlebten den langsamen Aufschwung im Touristengeschäft nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie verkauften zunächst Postkarten mit königlichen Motiven. Nach der Währungsreform zog das Geschäft richtig an. Der Mitbringselhandel entwickelte sich zu einem Massengeschäft, auf Messen gab es alle möglichen Artikel mit Bildern vom König, Schloss und den prunkvollen Gemächern en gros zu kaufen. Heute läuft das alles über den Onlinehandel. Auch Armin Lang sitzt regelmäßig nachts vorm Computer und ordert Ware. Postkarten seien nicht mehr so gefragt, seit die Touristen ihre Grüße an die Lieben daheim mit selbstgemachten Handyfotos posten. Dafür geht anderes, vom Krügerl bis zur Kuckucksuhr.

Alle möglichen Besucher hat Lang schon am Schlossberg erlebt. Erst kürzlich sei der neue thailändische König dagewesen, der ein Domizil am Starnberger See hat, und in Zeiten des Kalten Krieges hätten sich inkognito sowjetische Diplomaten von Berlin ins Allgäu fahren lassen, um des Königs Märchenwelt zu bestaunen - und um anschließend bei Lang einzukaufen. 1500 verschiedene Artikel hat er in den Regalen. Ans Herz gewachsen sind ihm als Kunden Amerikaner und Rheinländer, weil sie mit ihrer lockeren Art nicht so großspurig daher kämen wie etwa die Münchner, die glaubten, selbst die Einheimischen in der Gemeinde Schwangau noch über Leben und Werk von Ludwig II. aufklären zu müssen. Noch schwerer tut sich Lang allerdings mit Touristen aus Korea. Die feilschten für ihr Leben gern, meint der gelernte Bürokaufmann. Das entspricht nicht dem Naturell dieses sanftmütigen Menschen.

Die Zeit am Fuße des Schlosses geht für ihn nun bald zu Ende. Ein früherer Mitarbeiter übernimmt den Shop, dann hört auch seine Angestellte Beate Grimm auf. Für Armin Lang wird es höchste Zeit, Abschied von Neuschwanstein zu nehmen. Er hat zwar keine Abneigung gegen diesen Ort entwickelt, aber doch eine gewisse Distanz zum Schloss. 1980 war er zum letzten Mal drin, bei einer Führung. Es sei ihm "zu duster", sagt er. Und er kreidet es diesem Bauwerk auch irgendwie an, dass sein Leben davon bestimmt wurde. Lang wollte eine Familie und Kinder. "Weil ich immer hier oben war, hat sich keine Partnerschaft ergeben." Damit teilt er gewissermaßen das Schicksal mit dem Märchenkönig, der auch an diesem Ort sein Glück nicht fand.

Unzufrieden ist Armin Lang aber nicht. Das Geschäft lief all die Jahre, er hat ausgesorgt. Nun will er nur noch weg von den Menschenmassen und in einsamen Gegenden wandern. Die Azoren, eine Inselgruppe im Atlantik, hat er sich als erstes Ziel ausgesucht. Das Schloss wird er dennoch nicht los. Lang lebt in Hohenschwangau, und wenn er dort in seinem Haus im Wohnzimmer sitzt und zum Fenster hinausblickt, sieht er: das Schloss Neuschwanstein. "Ich kann ihm nicht entrinnen."

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