Tag des Programmierers:"Ich würde einem Kind lieber Programmieren beibringen als Mathe"

CoderDojo in Amsterdam

Bei Veranstaltungen der Community CoderDojo lernen Kinder zu programmieren.

(Foto: dpa)

Joel Spolsky hat eine Internetplattform gegründet, auf der sich Nutzer über technische Fragen austauschen. Er fordert weibliche Vorbilder für die Branche - und dass Programmierer die Nebenwirkungen des Facebook-Algorithmus in den Griff bekommen.

Interview von Caspar von Au

Die 256 ist in der Informatik eine besondere Zahl. Im Binärsystem lassen sich genau 256 Werte (von 0 bis 255) mit acht Stellen ausdrücken. Ein Byte besteht aus acht Bit. Daher taucht die 256 an vielen Orten in Computersystemen auf und am 256. Tag des Jahres feiern Entwickler weltweit den "Tag des Programmierers". In Russland ist der sogar ein offizieller Gedenktag.

Joel Spolsky hat vor zehn Jahren die Online-Plattform Stack Overflow gegründet. Auf der Plattform finden Programmierer weltweit Antworten auf ihre fachbezogenen Fragen.

SZ: Was ist am Job des Programmierers so spannend?

Joel Spolsky: Das Schöne ist: Weil man Code einfach kopieren kann, muss man niemals das Gleiche zweimal machen. Programmierer stehen immer auf den Schultern der Programmierer, die vor ihnen kamen. Zudem beschleunigt sich das Berufsfeld zunehmend. Es gibt immer bessere Programmier-Tools und bessere Systeme, die man früher von Grund auf neu programmieren musste. Der Code, den ein Entwickler heute schreiben kann, ist sehr viel mächtiger als noch vor einem Jahr.

Obwohl die Arbeit von Programmierern mittlerweile viele Lebensbereiche durchdringt, hält sich das Klischee vom pickligen Nerd.

Einige Klischees treffen sicherlich zu: Es braucht einen bestimmten Typ Mensch, der sich für das Programmieren interessiert, der Dinge Stück für Stück aufbauen will und viel Geduld und ein Gefühl fürs Handwerkliche mitbringt. Programmierer nehmen vieles sehr wörtlich. Sie suchen stets die Wahrheit und verschwenden nicht viel Zeit auf Emotionen oder Fiktionen. Lieber beschäftigen sie sich mit Zahlen und Fakten. Dass Programmierer aber unsozial sind, stimmt nicht. Ich glaube, das Vorurteil kommt nur in Kinofilmen vor.

Es ist noch immer ein Beruf, der von Männern dominiert wird. 93 Prozent ihrer Nutzer sind männlich. Warum gibt es noch immer so wenige Programmiererinnen?

Das ist ein Problem, für das ich keine Erklärung habe. Es wäre verrückt, zu denken, dass Männer aufgrund einer angeborenen Fähigkeit die besseren Programmierer sind. Da ist etwas, das Frauen systematisch davon abhält oder das sie dazu bringt, den Job schon während der Ausbildung hinzuschmeißen. Dadurch bewahrheitet sich die Prophezeiung selbst: Alle anderen sind Männer, Frauen fühlen sich fehl am Platz - auch wenn sie es gar nicht sind. Um diese soziale Ungerechtigkeit zu beheben, braucht es Vorbilder. Besonders auf Stack Overflow wäre es wichtig, dass sich Frauen aktiver an der Community beteiligen. Manchmal vergehen Tage, ohne dass man Programmiererinnen online sieht. Die Frauen sollten sich mehr zeigen. Mehr Fragen stellen und beantworten, sich über ihr Profil als Frau zu erkennen geben.

Joel Spolsky, 53, CEO von Stack Overflow:

Joel Spolsky, 53, CEO von Stack Overflow: Der offen schwule Entwickler fordert Vorbilder für weibliche Programmiererinnen. Es sei ein Weg, um zu einem ausgeglicheneren Verhältnis von Männern und Frauen in der Branche zu kommen.

(Foto: DENNIS CAHLO; Stack Overflow / PR)

Frauen sind also selber schuld?

Nein, nein. Aber sie können helfen, das Problem zu beheben. Es geht darum, sich zu outen. Ich bin ein offen schwuler Programmierer. Ich habe schon von vielen anderen homosexuellen Entwicklern gehört, dass es sie motiviert hat, damit offen umzugehen. Es ist ein Weg, damit sich Frauen willkommener fühlen, bis wir bei einem angemessenen Fünfzig-fünfzig-Verhältnis angekommen sind.

Welche Verantwortung tragen Programmierer aufgrund ihres Einflusses auf das Weltgeschehen?

Das Wort des Jahres, besonders im Hinblick auf soziale Netzwerke, lautet Algorithmus. Früher war das eine Handlungsvorschrift beim Programmieren. Jetzt bedeutet es, dass Facebook, Twitter und Instagram entscheiden, was du siehst. Das Wort hat fast schon eine negative Bedeutung. Plötzlich gibt es einen Genozid in Myanmar oder Trump wird in den USA zum Präsidenten gewählt - oder was noch alles aufgrund des Facebook-Algorithmus passiert ist. Wenn du glaubst, dass Impfungen Autismus verursachen, findest du Millionen Meinungen online, die dir das bestätigen. Vor dem Internet wäre es unmöglich gewesen, so viele andere verrückte Menschen zu finden. Das ist ein großes Problem und war mit Sicherheit nicht die Absicht der Erfinder. Programmierer müssen die Nebenwirkungen in den Griff bekommen. Wir müssen uns jetzt fragen: Wie lösen wir das? Ich bin mir sicher, dass wir Programmierer das schaffen.

Sollten wir alle deshalb jetzt Programmieren lernen?

Früher haben wir in der Schule allen Schülern Latein beigebracht. Dabei ging es nicht darum, Latein zu sprechen oder zu lesen. Weil es so eine schwierige Sprache ist, sollte es den Verstand der Schüler schärfen. Ähnlich ist es mit dem Programmieren: Nicht jeder muss Programmierer werden. In den Sechzigern dachten die Menschen, dass das in Zukunft notwendig ist. An den Smartphones sehen wir, dass jeder Computer nutzen kann, ohne Programmieren zu können. Wenn man sich entscheiden muss, einem Kind Mathe beizubringen oder Programmieren - ich würde ihm lieber Programmieren beibringen. Es ist im späteren Leben wahrscheinlich hilfreicher.

Und als Erwachsener, der ich noch keinen oder nur wenig Informatik-Unterricht hatte?

Wenn man es wirklich ernst meint, gibt es jede Menge Schulen. Natürlich kann man alles auch online lernen. Alles, was man übers Programmieren wissen muss, findet man im Netz. Das ist ein guter Start. Da empfehle ich Bento.io, eine Sammlung von kostenlosen Tutorials und eine Anleitung, welche Reihenfolge sinnvoll ist.

Und mit welcher Sprache sollte ich anfangen?

Javascript. Die Sprache wird mittlerweile für sehr viele Dinge benutzt und ist eine Art Lingua Franca des Programmierens.

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