Rheinland-Pfalz:Offen für alle

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Seit 1832 ist das Hambacher Schloss Symbol der Demokratiebewegung. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Das Hambacher Schloss, Symbol der deutschen Demokratiebewegung im Vormärz, muss auch weiterhin AfD-Treffen dulden. Die Stiftung hinter dem Denkmal findet keinen Weg, derartige Veranstaltungen zu verhindern.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können: Auf dem Hambacher Schloss in Rheinland-Pfalz wurden am Wochenende die Errungenschaften der Demokratie gefeiert. Künstler aus ganz Europa, Politiker und Bürger ließen freiheitliche Traditionen hochleben. Solche Veranstaltungen sind auf dem Berg, auf dem die frühe deutsche Demokratiebewegung 1832 ihr berühmtes Fest feierte, sehr willkommen. Anders als Rechtspopulisten, die die Anlage inzwischen für ihre Zwecke einsetzen möchten. Auf dem Schloss suchte man nach Wegen, um Großveranstaltungen der AfD dort zu erschweren. Ohne Erfolg.

Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD), zugleich Vorstandschef der Schloss-Stiftung, hatte gemeinsam mit anderen überlegt, ob und wie man unliebsame publizitätsträchtige Treffen unterbinden könnte. Man dachte darüber nach, die Vergabe der Räume zu reduzieren. Statt des ganzen Gebäudes hätten Gäste dann nur einige Säle mieten können. Weniger Leute, weniger Aufsehen, so die Hoffnung. Es wäre ein symbolischer Akt gewesen, das war allen Beteiligten klar. Aber die Stiftung entschloss sich, dieses Zeichen nicht zu setzen.

Beim jüngsten Vorstandstreffen habe man sich geeinigt, auf diesen Schritt zu verzichten, sagte Wolf der SZ. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Lösung der Bedeutung und der Zukunft des Schlosses als Demokratieforum nicht förderlich ist", fügte er hinzu. Denn eine Begrenzung hätte auch jene Gruppen getroffen, die man im Schloss gern begrüßt: "Wir hätten uns mit einer solchen Begrenzung auch die Hände gebunden für große Veranstaltungen, die wir ausdrücklich fördern und unterstützten. Das wäre kontraproduktiv. Es gilt das Prinzip der Gleichbehandlung aller Interessenten."

Anders als die Paulskirche in Frankfurt, das zweite große deutsche Symbol der Freiheitsbewegung, steht das Schloss allen offen, die bereit sind, die Miete zu zahlen. Auf die Einnahmen ist die Stiftung angewiesen. Auch Parteien dürfen sich dort treffen; Versuche, AfD-Veranstaltungen zu unterbinden, wurden von rheinland-pfälzischen Gerichten untersagt. Die AfD-Fraktion aus dem Mainzer Landtag hat sich zwei Mal auf dem Schloss getroffen, stets hatten Gegner zu Protesten aufgerufen.

Die Europafahne soll künftig auf Dauer neben der Deutschlandfahne wehen

Großen Wirbel hatte im Frühsommer der Finanzexperte Max Otte verursacht. Der ist eigentlich CDU-Mitglied, stimmte aus Unmut über den gegenwärtigen Kurs der Christdemokraten aber bei der Bundestagswahl erklärtermaßen für die AfD. Anfang Mai hatte Otte einige Protagonisten der AfD sowie andere umstrittene Politiker zu einem "Neuen Hambacher Fest" eingeladen. Wegen einer Großdemonstration von Teilnehmern vor der Anlage musste das gesamte Gebiet vor dem Schloss für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Otte bedankte sich später dafür, dass die Stiftung die Veranstaltung ermöglicht habe.

Das wies der Vorsitzende Wolf seinerzeit kühl zurück. In einem offenen Brief an Otte schrieb der Minister, dass die Stiftung jenes Treffen nicht unterstützt und vergeblich versucht habe, den Aufmarsch vor der Anlage zu unterbinden. Das Schloss als Sinnbild für Weltoffenheit, Demokratie und Meinungsfreiheit könne und müsse "Veranstaltungen wie die Ihre ertragen".

Solche Aufläufe seien auch weiterhin möglich, sagt Wolf, auch wenn man im Schloss weniger Räume vermiete: "Dann wären im Schloss womöglich weniger Teilnehmer bei uns unliebsamen Veranstaltungen, vor der Tür stünde dann der größere Rest." Er räumt ein, dass man finanziell von den Populisten profitiere. "Ja, die Stiftung verdient, wenn man so will, auch an rechtslastigen Großveranstaltungen. Das ist unschön, aber nicht zu ändern."

Die Stiftung sucht nun nach anderen Wegen, das Schloss zum Ort eines freiheitlich-demokratischen Diskurses in Deutschland und Europa zu machen. Die Europafahne soll auf Dauer neben der Deutschlandfahne wehen. Wenn der Bund einverstanden ist, soll es von 2020 an eine wissenschaftliche Stelle geben, die Veranstaltungen mit Sachverstand begleitet.

Der Streit um die Frage, wer unter welchen Umständen auf das Schloss darf, wird weitergehen. Es ist in Neustadt an der Weinstraße mit neuen AfD-Veranstaltungen zu rechnen, mit Gegenprotesten, Polizeieinsätzen und öffentlicher Aufregung. Wolf sieht keine andere Möglichkeit. "Wir müssen uns der Diskussion mit Rechten und Rechtspopulisten stellen, an dieser Auseinandersetzung kommen wir nirgendwo vorbei, auch nicht auf dem Hambacher Schloss."

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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